Xavier kann es selbst nicht glauben. Er schüttelt den Kopf und kippt sich den Schnaps, den er eigentlich für uns hingestellt hat, auch noch hinunter. Dann bestellt er eine neue Runde und schüttelt noch immer den Kopf: „Ich kann es nicht glauben, dass ich auf diese miese Masche hereingefallen bin. Ich! Gerade ich!“
Wir nicken mitleidig und kommen zur Erkenntnis, dass wohl niemand wirklich vor guten Verkäufern gefeit ist. Nicht einmal unser ausgefuchster Xavier, der die meisten Verkaufsmaschen selbst bei seinen Geschäftspartnern anwendet.
Während wir darüber nachgrübeln, hat Xavier schon wieder unseren Schnaps getrunken und sagt: „So, die nächste Runde gebt aber jetzt ihr mal aus!“ Wir zucken mit den Schultern und bestellen noch eine Runde. Diesmal werden wir aber schneller sein!
Xavier erzählt uns in der Zwischenzeit, wie es ihm beim Schönheitschirurgen ergangen ist. Seine Angst vor dem Arzt war völlig unbegründet. In angenehmer Umgebung und Atmosphäre fand zunächst ein unbedeutendes Gespräch statt. Über Autos, schöne Frauen und wie wichtig heutzutage ein jugendliches Aussehen ist. Das Übliche. Eine junge, blonde, hübsche Assistentin mit endlos langen Beinen brachte Xavier ein kühles Getränk. Irgendein gesunder Tee-Saft-Wunderpulver Mix, der wie ein Wunder gegen freie Radikale und damit das Altern half. Der Drink schmeckte passabel. Das Wunderpulver im Drink selbst hatte sich die Frau des Schönheitschirurgen patentieren lassen, und das Pulver gab es selbstverständlich an der Information zu kaufen. Zu einem stolzen Preis versteht sich. Xavier bestellte bei der schönen Assistentin mit den endlos langen Beinen gleich eine ganze Schachtel voll. Er gibt zu, dass er die schöne, junge Frau damit auch ein klein wenig beeindrucken wollte, aber vornehmlich ging es Xavier selbstverständlich um die Gesundheit!
Danach begann der Arzt, Xaviers verbliebene Haarpracht zu begutachten. Er machte sich Sprachnotizen. Ganz nebenbei nicht nur zu Xaviers Kopfhaut und Haarfarbe, sondern auch zu diversen Stirn- und Augenfalten, den Mundwinkeln, dem Gewebe am Hals, den Augenlidern und der Oberlippe. Der Arzt zog mal hier und mal da an Xaviers Gesicht, schüttelte dabei mit gerunzelter Stirn den Kopf und murmelte: „Nun, hm, hier könnten wir durchaus auch noch etwas machen. Wenn Sie wollen natürlich nur! Ein wenig straffen hier, ein wenig auffüllen da, nun, die Augenlieder hängen Ihnen auch schon ziemlich schlaff herunter.“ Und so ging es wohl einige Zeit lang weiter. Aus dem Haartransplantat wurde sehr schnell eine kleine Rundumsanierung. Da die Kreuzfahrt allerdings erst in einigen Wochen stattfinden würde, sollte Xavier sich bis dahin mit einer wunderbaren Creme versorgen. Ebenfalls von der Frau des Schönheitschirurgen. Natürlich ebenfalls an der Information erhältlich. Wiederum zu einem stattlichen Preis. Samt eigenem Augengel, einer Gesichtsmaske und kosmetischen Anwendungen, buchbar für das Kosmetikstudio – wir haben es erraten – der Chirurgenfrau. Xavier nahm alles. Inklusive einem 5-maligen Besuch im Kosmetikstudio. Zur Vorbereitung auf die Kreuzfahrt sozusagen.
Erst als Xavier mit einem schweren Paket Vitaminpulver, einer großen Umhängetasche Cremes und Kosmetikprodukte sowie einer mit einer um einen um einen unglaublichen Betrag belasteten Kreditkarte die Praxis wieder verlassen hatte, dämmerte es ihm. Er war Opfer eines ausgesprochen ausgefuchsten Cross-Sellers geworden. Als er an die Kosten dachte, auf die er sich gerade eingelassen hatte, bekam Xavier sogar kurz Schnappatmung und es wurde ihm leicht schwindlig. Die Kosten der Kreuzfahrt hatten sich binnen der letzten Stunde verdoppelt. Und die Chirurgenfrau musste sich dank der guten Verkaufstricks ihres Mannes ebenfalls keine finanziellen Sorgen für die kommenden Wochen machen.
Dass es Xaviers Kunden möglicherweise regelmäßig ebenso ergeht, ist nur uns ein kleiner Trost. Xavier sieht das selbstverständlich etwas anders.