Xaviers Blog: Ein Banker den das Leben schrieb. Von Martina Bahl. Normalerweise treffen wir Xavier vor, während oder nach der Arbeit. Korrekt gekleidet im typischen Bankerlook mit teurem, dunklem Anzug, weißem Hemd (blaue tragen nur Berater), schwarzen, von Mr. Shoe Shine frisch geputzten Schuhen, dazu die viel zu teure Uhr, mehrere Mobiltelefone und einem gestressten Gesichtsausdruck mischt er sich dann mühelos unter die anderen Banker. Manchmal fällt es uns tatsächlich schwer, Xavier auf den ersten Blick zu erkennen. Zu ähnlich sind sich die zahllosen Männer in ihrem Einheitsoutfit. Das verraten wir Xavier natürlich nicht. Es könnte ihn kränken, dass ihn seine teuren, maßgeschneiderten Hemden, der noch teurere Anzug und die Schuhe, die ihn drücken, zu nichts Besonderem machen.

Doch dann treffen wir Xavier an einem Feiertag. Der Feiertag fällt auf einen Montag, und Xavier hat Langeweile. Also will er sich mit uns treffen, um uns mehr von seinem tollen Bankerleben zu erzählen. Wir stimmen einem Treffen sofort zu. Schließlich sind wir stets interessierte Zuhörer und können von Xaviers Leben nicht genug bekommen.

Wir sind bereits vor der vereinbarten Zeit da und beobachten die vielen Menschen, die das Café, in dem wir auf Xavier warten, betreten. Wir treffen uns diesmal nicht im selben Laden im Finanzdistrik, in dem wir Xavier sonst meist zuhören, denn im Finanzdistrikt hat an Sonn- und Feiertagen beinahe alles geschlossen. Keine Banker kein Business.

Es ist nicht allzu viel los an diesem Feiertag im Zentrum. Einige Touristen sitzen über ihren Pappbechern und versuchen sich zu orientieren. Wir lassen unseren Blick von einem zum nächsten wandern und machen uns so unsere Gedanken. Da betritt ein Mann das Café. Der hätte sich auch mal Waschen können, denken wir. Rasiert scheint er sich auch länger nicht zu haben, und die Haare, die dem Mann wirr um die Sonnenbrille stehen, sind nachweislich weder gewaschen noch gekämmt. Apropos Sonnenbrille, wer trägt denn diese noch im Haar, noch dazu an einem regnerischen Tag? Wir runzeln die Stirn. Und was sind das für Klamotten? Da passt aber auch gar nichts zusammen, und von modisch ist der Typ sowieso weit entfernt. Es sei denn, man steht auf den ungepflegten Lumpenlook. Die ausgetretenen, sportlichen Schuhe des Mannes haben in ihrem langen, traurigen Leben noch nicht viel Zuwendung und Pflege erfahren. Die Jeans wirkt ausgebeult, das Poloshirt ausgewaschen und zu eng, und über die grünen Socken wollen wir uns hier gar nicht erst auslassen.

Tief in unsere Gedanken versunken erkennen wir mit Schreck, dass der ungepflegte Mann schnurstraks auf uns zu kommt! Wir senken den Blick zu Boden und hoffen, dass er sich von unserem Starren nicht angegriffen fühlt. Jeden Moment erwarten wir, für unsere lästerlichen Gedanken von ihm zur Rede gestellt zu werden. Der Mann bleibt nur wenige Zentimeter vor uns stehen und blickt uns direkt an. Was will der bloß von uns? Hilfesuchend blicken wir uns um. Der Mann spricht uns an. Wir gehen körperlich schon in Abwehrhaltung und erwarten das Schlimmste. Doch halt, die Stimme kommt uns bekannt vor! Wir sehen zu dem Mann auf, sehen ihm ins Gesicht, und trauen unseren Augen kaum. Es ist Xavier! Heute also ein bisschen legerer. Im Freizeitlook. Wir sehen uns im Café um und entdecken noch andere unrasierte, ungewaschene Männer, die ähnlich wie Xavier gekleidet sind. Einigen von ihnen nickt Xavier zu. Er kennt sie. Andere Banker also. Wir nicken. So also sieht der Banker Freizeitlook aus!