Xaviers Blog: Ein Banker, den das Leben schrieb. Eine Kolumne von Martina Bahl. Xavier wirkt etwas abwesend. Als wir ihn darauf ansprechen, antwortet er uns zunächst nur mit einem leisen „Mhm“. Wir wollen genau wissen,was ihn bedrückt und bohren nach. Es dauert allerdings eine ganze Weile, bis Xavier mit der Sprache rausrücken will.

Es geht um ein Ereignis vom Vorabend. Wie so oft war Xavier nach der Arbeit mit anderen Bankern in diversen Bars unterwegs. Im schicken Anzug und einem ganzen Packen an Kreditkarten fällt es ihm und seinen Banker-Freunden meist nicht schwer, an junge, weibliche Gesellschaft zu kommen. Eine Flasche Champagner, und die hübschen, jungen Damen in der Bar werden zutraulich.

Doch nicht so gestern abend. Die Runde Banker hatte einfach keinen Erfolg. Champagner hin oder her, die Banker hatten keine Chance. In der selben Bar scharten sich hingegen die hübschen Damen um eine kleine Gruppe junger Männer in Cargohosen und bunten T-Shirts, auf denen seltsame Sprüche standen, die Xavier und seine Freunde nicht verstanden. So etwas wie R2-D2, „meh“, „Stand back, I am going to try Science“ und so fort. Dazu hatten einige der jungen Männer noch diese abscheulichen Kapuzenjacken. Xavier schauderte es beim reinen Anblick der Truppe. Wie konnte man wochentags abends nur so herum laufen?

Die Gruppe der Banker war absolut ratlos und musste sich wohl oder übel selbst unterhalten. Die Gespräche kreisten wie üblich um die vielen tollen Geschäfte, die jeder von ihnen wieder gemacht hatte. Im Grunde langweilte das jeden. Danach kam Sport an die Reihe, gefolgt von Luxusautos und teuren Uhren. Xavier pries wieder einmal seine Rennpferde an, in der Hoffnung, einer der Banker könnte sie ihm abkaufen wollen. Bereits nach kurzer Zeit ebbten die Gespräche ab und die Banker starrten mehr oder weniger schweigsam abwechselnd auf ihre Drinks und auf die Gruppe Geeks, um die sich die Frauen scharten. Die Banker schüttelten immer wieder ungläubig den Kopf.

Eine der Damen ließ sich dann doch noch dazu herab, mit den Bankern zu reden. Sie erklärte der Gruppe, dass dort drüben der Gründer eines wichtigen Internet Startups mit einigen seiner Mitarbeiter war. Die junge Frau war begeistert und schrecklich aufgeregt, dass heute so tolle Männer in der Bar waren. Gründer, Startup, Technologiebranche, fast wie in Silicon Valley, es war einfach zu aufregend! Dann fragte die junge Frau noch höflich, was denn Xavier und seine Freunde so machen würden im Leben.
„Wir sind Investmentbanker!“ sagten sie stolz.
Da verzog die junge Frau angewidert das Gesicht. „Banker? Wie uncool ist das denn?“ antwortete sie.

Xavier schüttelt den Kopf. Als Banker fühlte er sich bisher immer wie ein Rockstar, am oberen Ende der Bewunderung angekommen. Und jetzt? Da sind tatsächlich Nerds in Kapuzenshirts beliebter als er, der große Xavier. Die Welt, so wie Xavier sie kennt, ist nicht mehr ganz in Ordnung.