Völlig verschwitzt und außer Atem kommt uns Xavier entgegen. Er sieht sehr mitgenommen aus. Auf unsere Frage, wo er denn gerade her komme und was denn geschehen sei, schüttelt er nur atemlos den Kopf: „Ihr glaubt es nicht. Ich musste mit der U-Bahn fahren!“
Bevor wir Xavier überhaupt ansprechen können, muss er sich erholen. Erst nach einem doppelten Espresso, einer großen Flasche Wasser sowie einem saftigen Stück Schokoladenkuchen beginnt er sich zu entspannen. Nach und nach kann er uns nun auch von seinem heutigen Abenteuer berichten.
Normalerweise, so erzählt uns Xavier, fährt er nicht mit der U-Bahn. Im Grunde kann er sich gar nicht erinnern, wann er die öffentlichen Verkehrsmittel zum letzten Mal benutzt hat. Doch heute war das Auto beim Service und die Werkstatt hatte ausnahmsweise keinen Ersatzwagen parat. Das Taxiunternehmen hatte auch gerade keinen Fahrer bereit, und Xavier hätte eine halbe Stunde auf ein Auto warten müssen. Also hatte er sich kurzfristig dazu entschlossen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.
Das hatte er vor vielen Jahren täglich gemacht, also war Xavier zuversichtlich, dass er das ohne Probleme schaffen würde. Doch seit seiner letzten U-Bahn-Fahrt war offensichtlich doch mehr Zeit vergangen als er gedacht hatte. Auf jeden Fall war damals noch ein Fahrkartenschalter mit einem Mitarbeiter in der U-Bahn Station, die Xavier nutzt, vorhanden.
Genau diesen Fahrkartenschalter suchte Xavier zunächst vergeblich. Er war einfach weg! Aber wo um alles in der Welt sollte jetzt seine Fahrkarte her bekommen? Den Versuch, einfach ohne Fahrkarte in die U-Bahn zu gehen, musste Xavier sofort wieder aufgeben. Die elektronischen Schranken waren ohne Fahrkarte nicht zu passieren! Verzweifelt und sichtlich verwirrt stand Xavier in der Station und war allen anderen Reisenden im Weg.
Ein kleiner Schuljunge erbarmte sich nach einiger Zeit. Er fragte Xavier, ob er ihm helfen könne. Er zeigte Xavier, wie er sich ganz einfach eine Fahrkarten-App auf sein Smartphone laden konnte und damit einen Fahrschein kaufen. Das Smartphone sollte er dann mit dem QR-Code auf dem Bildschirm an das Lesegerät der elektronischen Schranke halten, und sofort könne er mit der U-Bahn fahren. Erstaunt nickte Xavier und schaute zu, wie der kleine Junge, der maximal 10 Jahre alt war, auf Xaviers Handy alles in Sekundenschnelle für Xavier erledigte.
Xavier dankte dem Jungen und steckte ihm einen kleinen Geldschein für seine Hilfe zu.
Der Junge nahm den Geldschein lächelnd an, steckte ihn in seine Hosentasche und antwortete: „Kein Problem, älteren Menschen soll man doch helfen!“, und ließ damit einen verdutzten Xavier zurück.
Die U-Bahn-Fahrt selbst war nicht wirklich angenehm. Der Zug war überfüllt, und Xavier musste dicht and dicht mit ihm völlig fremden Menschen stehen. Dazu war es noch übertrieben warm, doch um sich die Jacke auszuziehen, war es eindeutig zu eng. Also schwitzte Xavier. Der Schweiß tropfte ihm von der Stirn, und er spürte, wie es ihm langsam den Rücken hinunter lief.
Endlich in der Zielstation angekommen, war Xaviers Martyrium noch nicht zu Ende. Die Rolltreppe war defekt. Also musste Xavier mit vielen anderen Reisenden den mühsamen Aufstieg an die Oberfläche über eine nicht enden wollende Treppe in Angriff nehmen. In der stickigen Luft des U-Bahn-Schachts keine schöne Sache!
Xavier schüttelt nur den Kopf: „Ich verstehe nicht, wie so viele Menschen täglich freiwillig mit dieser schrecklichen U-Bahn fahren können! Und dabei kommen sie auch noch ganz frisch überall an! Wie machen die das bloß?“
Wir nicken daraufhin und verzichten darauf, Xavier zu sagen, dass wir zu jedem Treffen mit ihm die U-Bahn nutzen.