Xavier: Ein Banker, den das Leben schrieb. Eine Kolumne von Martina Bahl.Immer wieder fährt sich Xavier mit den Fingern durchs lichte Haar, kämmt sich die Strähnen mal nach links und mal nach rechts und will von uns wissen, auf welcher Seite wir es besser finden. Da wir wissen, wie empfindlich Xavier ist, wenn es um seine Haarpracht geht, sagen wir ihm natürlich nicht, was wir uns denken. Nämlich dass es weder links noch rechts gut aussieht. Stattdessen lächeln wir und sagen diplomatisch, dass beide Seiten okay wären.

Auf unsere Frage, warum er denn heute so um seine Frisur bedacht ist, verdüstert sich Xaviers Blick. Sehr theatralisch sagt er: „Es ist entsetzlich. Ich muss zum Fotografen!“ Für die Imagebroschüre seiner Abteilung sollen alle Mitarbeiter sowohl einzeln als auch als Gruppe von einem professionellen Fotografen abgelichtet werden.

Wir fragen, was denn so schlimm daran sei, schließlich würde man auf Urlaubsfotos meist viel schlimmer aussehen als auf Artelierfotos. Das wäre doch die ideale Gelegenheit für Xavier, das Profilbild auf den beruflichen, sozialen Netzwerken anzupassen. Da ist seit vielen Jahren ein Foto von Xavier mit Sonnenbrille im Liegestuhl unter Palmen zu sehen. Weder aktuell noch vorteilhaft noch professionell. Zu unserer Verwunderung findet Xavier selbst sein Profilbild toll. Jung, sportlich und mit vollem Haar. Zur Sicherheit zeigen wir Xavier das Profilbild, das wir meinen. Doch ja, es besteht kein Zweifel, genau dieses unpassende Urlaubsbild will er unbedingt behalten. Das sei doch vollends in Ordnung, meint Xavier kopfschüttelnd und lächelt das  Bild dieses braun gebrannten jungen Mannes mit Sonnenbrille an, der so lässig im Sonnenstuhl liegt.

Xavier will einfach nicht zum Fotografen. Der Gedanke sei für ihn unerträglich, sagt er uns, und dass er seit Tagen schlecht schlafe deswegen. Aber da es nun mal sein müsse und er dazu genötigt werde von seinem Arbeitgeber, wolle er sich von seiner Schokoladenseite zeigen. Welche das war, ob links oder rechts, darüber war er sich noch nicht vollends im Klaren.

Mehr zum Scherz bieten wir Xavier unseren kleinen Taschenspiegel an. Dankbar greift er danach, und er lehnt auch unseren kleinen Taschenkamm nicht ab. Völlig in sich gekehrt kämmt er sich die Haare mal nach links und mal nach rechts, betrachtet sich im kleinen Spiegel so gut es geht, und beginnt danach wieder von Neuem. Wir schütteln den Kopf und gehen. Den Spiegel und Kamm darf Xavier behalten. Wir wünschen ihm in Gedanken viel Erfolg für seinen Fototermin und geben die Hoffnung nicht auf, dass er vielleicht doch noch zur Einsicht kommt was sein Profilbild angeht.