Xaviers Blog: Eine Kolumne von Martina BahlLeger gekleidet mit grauer Anzughose, offenem Hemdkragen und ganz ohne Krawatte kommt uns Xavier entgegen. Das Hemd ist selbstverständlich weiß und maßgeschneidert, wie sich all jene, die Xavier regelmäßig folgen, ohnedies gedacht hatten. Die blauen Hemden sind was für Berater, und alle anderen Farben hätten in seriösen Berufen sowieso nichts zu suchen, erklärt uns Xavier regelmäßig. Doch darum geht es ihm heute nicht.

Wir fragen nach, was es mit dem offenen Kragen, der fehlenden Krawatte und dem ebenfalls nicht vorhandenen Sakko auf sich hat. Wir denken kurz nach, ob vielleicht Freitag ist, der Tag, an dem Banker schon mal etwas legerer zur Arbeit gehen, aber nein, Freitag ist auch nicht. Xavier lacht über uns. Nein, sagt er uns, er müsse gleich los zum Sporthafen. Dort wartet eine stattliche Segelyacht auf ihn. Zugegeben, nicht nur auf ihn, sondern mehrere seiner Kunden und andere Investoren. Ein reicher Unternehmer hat auf die kleine Fahrt mit dem Segelschiff geladen, um seine Investmentidee vorzustellen.

Wir sind überrascht und fragen, warum der Unternehmer das nicht wie sonst wohl auch üblich irgendwo in einem Veranstaltungshotel oder in einem Konferenzraum einer Bank präsentiert. Xavier lacht und zuckt mit den Schultern. Bei Champagner und leckeren Canapés in frischer Seeluft lasse sich die Sache doch auch gut besprechen. Das sei dann etwas Besonderes für die Kunden.

Worum es denn gehe bei der geplanten Investition, für die der Unternehmer Gelder einsammeln möchte. Xavier scheint an den Details nicht sonderlich interessiert zu sein, aber es soll wohl irgendein neuartiges Kraftwerk irgendwo in der arabischen Wüste gebaut werden. Die Technik dafür sei neu, und die Vertriebsprovision außerordentlich interessant.

Wir wollen wissen, ob so eine Präsentation auf der Segelyacht samt Champagner und exklusivem Essen nicht sehr teuer sei. Xavier schüttelt den Kopf ob unserer Naivität. Das sei doch bereits alles in den Projektkosten budgetiert und zähle zu den Werbe- und Akquiseausgaben derartiger Projekte. Besondere Projekte für besondere Kunden kosten nunmal auch besonders viel Geld. Das würde doch wohl jedem einleuchten. Außerdem sei man auf einem Schiff auf dem Meer etwas mehr unter sich und nicht zu sehr beobachtet. In den ganzen Hotels heutzutage, da seien doch überall Kameras installiert. Da könne man sich nie ganz sicher sein, wer einen da wobei beobachten würde. Wobei denn, wollen wir wissen, doch Xavier hebt nur die Augenbrauen und rollt die Augen. Uns bleibt nur, darüber zu spekulieren, ob Xavier damit die Anwesenheit gewisser Damen oder die Übergabe von dicken Umschlägen meint.

Zuletzt wollen wir von Xavier noch wissen, ob er selbst denn auch in das Kraftwerksprojekt in der Wüste investieren wird. Da lacht er zum Abschied laut und herzlich und meint: „Aber nie im Leben! Das ist doch alles nicht seriös!“ Mit diesen Worten verschwindet er eleganten Schrittes in Richtung Hafen.