Xaviers Blog: Eine Bankerkolumne von Martina BahlXavier hat heute nur wenig Zeit. Außerdem bittet er uns, dass wir ihn außerhalb der Stadt auf einem Pferdegestüt treffen. Wir stimmen zu, denn schließlich sind wir gespannt, was Xavier heute vor hat. Ist es ihm vielleicht gelungen, seine beiden angeblichen Rennpferde zu verkaufen?

Als wir ankommen, erwartet uns Xavier schon aufgeregt. Er will uns unbedingt sein Pferd zeigen. Auf einer kleinen Koppel läuft ein braunes, hageres Pferd nervös auf und ab. Wo denn das andere Pferd sei wollen wir wissen. Doch Xavier schaut uns nur verwirrt an. Welches andere Pferd? Und da dämmert es uns. Es handelt sich bei dem mageren Gaul auf der Wiese nicht um eines der zwei Rennpferde, die Xavier im vergangenen Jahr gekauft hat und seither samt Trainer durchfüttert. Nein, dieses Pferd hier ist neu.

Von einer tollen Investition spricht Xavier, und einer einmaligen Gelegenheit, die sich geboten hat. Der bisherige Besitzer musste binnen kürzester Zeit mehrere Assets liquidieren. Ein Hedge Fund Manager, dem die Rückzahlungen über die Bargeldreserven gestiegen waren. Und da habe Xavier zugeschlagen. Und das, ohne das Pferd vorher gesehen zu haben. Schließlich musste es schnell gehen. Er hatte den in Schwierigkeiten geratenen Hedge Fund Manager einige Tage zuvor im Pub getroffen. Auf einer Papierserviette hätten sie den Kaufvertrag für das Pferd abgeschlossen. Dabei sei Xavier sicher, das Pferd weit unter Wert gekauft zu haben. Wie auch einen relativ neuen BMW mit Sonderausstattung, eine Ferienwohnung an der Küste sowie ein bisschen was an strukturierten Wertpapieren.

Naja, denken wir uns, wenigstens kein Maserati. Und besser ein Pferd als ein Fisch. Über die strukturierten Wertpapiere wollen wir besser nicht zu viel erfahren, sonst bekommen wir Bauchschmerzen und schlaflose Nächte. Vielleicht geht es auch gut und alles lässt sich ohne größere Verluste wieder verkaufen. Im Idealfall könnte Xavier auch Gewinn damit machen. Dann zwar auf Kosten eines verzweifelten Mannes, aber was soll’s, der Hedge Fund Manager ist möglicherweise auch nicht viel anders an sein Vermögen gekommen. Im schlimmsten Fall klopft die Staatsanwaltschaft an Xaviers Tür, weil er dem insolventen Manager geholfen hat, Assets zur Seite zu schaffen.

Als wir unsere letzte Überlegung laut äußern wird Xavier nervös. Daran hatte er nicht gedacht. Er will das tolle, neue Pferd, das da so mager und nervös auf der Wiese steht, schleunigst wieder los werden. Wir wünschen ihm viel Erfolg, immerhin stehen jetzt ganze drei Gäule zum Verkauf, und fragen uns auf dem Parkplatz, welcher BMW wohl der des gescheiterten Hedge Fund Managers sein mag, und in dem womöglich bald ein Beamter der Staatsanwaltschaft sitzen könnte, um das schöne Stück abzutransportieren. Wie sie das mit dem Pferd machen wollen, ist uns noch nicht ganz klar. Das kann man schließlich nicht so einfach auf einem großen Parkplatz abstellen.