Martina Bahl, Rednerin und Schulungsleiterin zu FinanzthemenWir treffen einen sehr nachdenklichen Xavier. Er erzählt uns, dass er zum Jubiläums- Klassentreffen eingeladen wurde. Welches Jubiläum, das will uns Xavier nicht verraten, sonst könnten wir nachrechnen, wie alt er ist. Also verschweigt er uns das lieber. Wir fragen verwundert, ob er ein Problem mit seinem Alter hätte. Eine gewisse Seniorität könnte doch im Banking nicht schaden, oder?

Xavier blickt uns verständnislos an. Seniorität sei etwas für Loser, die nicht mehr erwünscht sind, erklärt er uns. Auf dem Floor einer großen Bank zählt Jugend. Sein neuer Kollege ist noch keine 25 und denkt, er könnte jetzt die Welt erobern. Sowieso laufen überall in der Bank sehr junge Leute durch die Flure, bevölkern junge Leute die Bars rund um die Bank, und überhaupt herrsche, so erklärt uns Xavier, die Überzeugung, dass nur die Jungen genug leisten könnten, um weiter zu kommen. Altwerden gehört für Xavier also nicht zum Plan. Wir nicken und nehmen es zur Kenntnis.

Doch nun zurück zu Xaviers Klassentreffen. Xavier überlegt, ob er die Einladung annehmen soll. Einerseits möchte er gerne wissen, was aus all den Schülern geworden ist, die mit ihm den Schulabschluss gemacht haben. Zudem könnte er mit seiner erfolgreichen Banker Karriere ordentlich prahlen. Selbstverständlich würde er mit dem tollen, neuen BMW fahren, den er noch vom Hedgefonds Manager hat. Das heißt, falls die Steuerfahndung noch nicht vorher da war, um das Auto abzuholen. Auf jeden Fall könnte Xavier dann von seinen drei Rennpferden erzählen, dem Koi und seinem unglaublichen Erfolg in jeder Hinsicht. Doch gleichzeitig macht sich Xavier auch Sorgen. Denn was um alles in der Welt sollte er machen, wenn dort jemand wäre, der es zu noch mehr gebracht hatte als er? Schließlich war er, das muss er zugeben, nicht immer der allerbeste Schüler gewesen. Da hatte es durchaus schlauere und klügere Schulkollegen gegeben. Ein richtiger Nerd sei er selbst nie gewesen. Doch die Schmach, dass jemand anders mehr Erfolg im Leben hat als er, die möchte er nicht ertragen müssen.

Nach viel hin und her entschließt sich Xavier, doch nicht zum Klassentreffen zu gehen. Er lässt stattdessen die Sekretärin der Abteilung beim Organisator anrufen. Diese soll den ehemaligen Schulkollegen mitteilen, dass er wirklich sehr gerne gekommen wäre, doch leider, leider sei er derzeit arbeitsmäßig unabkömmlich, müsse an einem wichtigen Projekt arbeiten und zudem noch ins Ausland reisen. Er sei leider viel zu erfolgreich und wichtig, um an einem Klassentreffen teilnehmen zu können. Er werde es aber bei einem der nächsten Treffen versuchen. Das heißt, wenn ihm seine wichtigen, beruflichen Verpflichtungen dies erlauben sollten.

Danach ist Xavier wieder zufrieden. Er lehnt sich zurück und malt sich in Gedanken aus, wie erfolgreich er im Vergleich zu allen anderen doch ist.