Xavier rümpft die Nase, wenn er von den Leuten im sogenannten Middle Office oder gar dem Back Office spricht. Er selbst arbeitet im Frontoffice. Das sind die Händler, Sales Leute und Investmentbanker, die das Geld für die Bank erwirtschaften. Er und seine anderen Front Office Kollegen sind die wirklich Wichtigen in der Bank, das steht für Xavier außer Frage. Die Hierarchie ist klar geregelt. Wer zahlt schafft an, so und nicht anders ist das ungeschriebene Gesetz.

Innerhalb des Front Office gibt es selbstverständlich auch eine klar festgelegte Hackordnung. Dafür sorgen die oft absurden und vielfältigen Titel, die eine Bank ihren Front Office Leuten gibt. Die Titel sind immer auf Englisch, da klingen sie international und nochmals wichtiger. Ganz oben stehen die Senior Managing Directors. Darunter kommen die Managing Directors und danach die Executive Directors. Jede Bank hat da ihre eigenen kleinen Unterschiede bei den Titeln. Danach kommen häufig die normalen Directors, die Vice Presidents, die Associates und ganz unten in der Hierarchie stehen die Analysts. Diese werden bei manchen Banken auch noch mit kleinen Untertiteln je nach Berufsjahr untersortiert, damit nur jeder weiß, wo sein Platz in der Hackordnung des Wolfsrudels zu finden ist. Nach unten wird gebissen, nach oben geschleimt. Der Analyst blickt in der Regel auch ehrfürchtig zu den Managing Directors auf, macht für sie jede Drecksarbeit und freut sich, wenn er an den vermeintlichen Weisheiten der weisen Alten teilhaben kann. Die wiederum blicken auf Analysts und Associates abfällig herab.

Die Analysts und Associates im Front Office können sich aber ganz leicht damit trösten, dass sie innerhalb der Bank trotzdem ganz oben stehen was Anerkennung, Ansehen und Hierarchie angeht. Was sie von oben an Tritten bekommen, das geben sie großzügig an die Mitarbeiter des Middle Office und Back Office weiter. So nennen sich die nachgelagerten Stellen, jene, die den Mist, den die Händler, Sales Leute und Investmentbanker ihren Kunden verkaufen und mit ihnen handeln, dann abwickeln müssen. Die fleissigen Arbeitsameisen im Back- und Middleoffice kümmern sich darum, dass die Dokumentationen richtig sind, die Zahlungen abgewickelt werden, die Kunden richtig in den Systemen angelegt sind und um den ganzen anderen oft sehr komplexen und mühsamen Kleinkram aus Regulierung, Dokumentation und Durchführung. Doch im Ansehen stehen sie dafür ganz hinten.

Xavier und seine Kollegen im Front Office sind felsenfest davon überzeugt: Wer etwas kann, der arbeitet im Front Office. Nur dort sitzen die wahren Genies. Alle, bei denen es einfach dafür nicht reicht, müssen sich mit dem Back- oder Middle Office zufrieden geben. Dort sitzen nach Auffassung der Front Office Götter sowieso nur Unwissende, Dumme und Verständnislose, die es sich zur Hauptaufgabe gemacht haben, das Leben der Front Office Götter schwer zu machen. Dementsprechend schlecht werden die Mitarbeiter des Back- und Middle Office auch behandelt, meist am Telefon. Die Managing Directors geben sich mit diesem Abschaum übrigens erst gar nicht ab, sondern lassen ihre Analysts die Telefonate führen. Die trainieren dann schon mal einen harschen Tonfall, den sie später, wenn sie in der Hackordnung der Götter weiter nach oben getiegen sind, bei ihren eigenen Analysts anwenden können.

Willkommen also in der wunderbaren Welt des Investmentbankings! Beissen ist ausdrücklich erlaubt!