Es hat geschneit. Nicht viel, aber doch genug, damit alles unter einer dünnen, weißen Schicht verschwindet. Der Schnee liegt auf den Dächern der Häuser, auf den Gehwegen, im Park und auf den Bäumen. Die meisten Menschen freuen sich zumindest ein wenig über die weiße Pracht.

Nur einer blickt heute besonders missmutig durch die Gegend. Xavier. Er flucht laut, als er sich den Schnee von den Lederschuhen klopft. Über seine Schlitterpartie auf dem verschneiten Gehweg haben wir uns zuvor köstlich amüsiert. Beinahe hätte Xavier einem Eiskunstläufer Konkurrenz machen können. Über seinen Gleichgewichtssinn wundern wir uns, ebenso über seine Gelenkigkeit, und fragen uns, wie er es bloß geschafft hat, ohne Sturz anzukommen.

Warum um alles in der Welt er denn an einem solchen Tag Schuhe mit glatten Ledersohlen trägt, wollen wir wissen. Auf diese Frage blickt uns Xavier – wie könnte es anders sein – völlig verständnislos an. Was denn die Alternativen wären, will er er von uns wissen. Etwa schwere Schuhe mit dicker Plasikprofilsohle? „Ich bin doch kein Bauarbeiter!“ schimpft Xavier und fügt hinzu: „Wollte ich solch klobige Schuhe tragen, ich hätte mir mein Studium sparen können!“

Xavier schimpft weiter. Der Schnee und das viele Streusalz würden ihm nun dieses schöne Paar teurer Lederschuhe ruinieren! Wild tippt er auf seinem Handy, um den jungen Schuhputzer „Mr. Shoe-Shine“ ins Büro zu bestellen. Vielleicht kann der noch etwas retten. „So ein Mist aber auch!“ schüttelt Xavier verzweifelt den Kopf, während er sich mit einer Serviette vorsichtig über einen seiner Schuhe streicht.

Als wir noch darüber nachdenken, wie wir Xavier auf bessere Gedanken bringen könnten, kommt eine russische Arbeitskollegin von Xavier durch die Tür. Auch sie kann sich gerade noch vor einem Sturz retten. Kein Wunder, denken wir, bei solch hohen Bleistiftabsätzen und bestimmt auch einer glatten Ledersohle. Wir wundern uns, wie die Frau halbwegs trockenen Fußes durch den mindestens vier Zentimeter hohen Schnee waten konnte.

Wir schütteln den Kopf und erkennen, dass es wohl keinen Sinn hat, Xavier und seine Kollegen und Kolleginnen von den Vorteilen warmer, gefütterter Winterstiefel mit dicker Profilsohle zu überzeugen. Mr. Shoe Shine wird es hoffentlich richten. Wir freuen uns für ihn, denn an einem Tag wie diesem dürfte beim kleinen Schuhputer das Geschäft so richtig brummen.

Und so verlassen wir Xavier, der sich angeregt mit seiner Kollegin über die Widrigkeiten des winterlichen Stadtlebens unterhält. Stattdessen freuen wir uns über das Lachen der Kinder, die im Park gegenüber eine Schneeballschlacht veranstalten. Und lächeln dem Verkäufer des angrenzenden Schuhgeschäfts zu, der gerade seine Auslage neu dekoriert. Keineswegs mit dicken Winterstiefeln, wie man meinen könnte, sondern klassisch mit schwarzen, ledernen Bankerschuhen.