Xavier trägt einen Verband um den Arm. Er hinkt auch leicht. Generell sieht Xavier heute ziemlich mitgenommen aus. Ist er etwa in einen Verkehrsunfall geraten? Kein Wunder, denken wir uns, bei seinem Fahrstil. Aber nein, denken wir im zweiten Moment, denn dann wäre wohl auch Xaviers teures, schmuckes Auto kaputt, und dann sähe er mit Sicherheit deutlich betrübter aus als er es heute tut.

Wir fragen Xavier also, wie er sich seine Verletzungen zugezogen hat. Der schüttelt nur wilde den Kopf und sagt: „Diese Biester! Diese Biester sind unglaublich stark. Und schnell! Und völlig rücksichtslos.“ Xavier schüttelt weiterhin den Kopf und blickt uns mit großen, entsetzten Augen an. Wäre es nicht am hellichten Tag mitten in der Stadt gewesen, wir hätten meinen können, ihm sei ein Monster begegnet, sagen wir ihm.

„Oh ja, es sind Monster!“ antwortet Xavier. „Wilde, böse, rücksichtslose und vor allem schnelle Monster! Mit spitzen, bösen Schnäbeln und langen, schnellen Beinen!“

Wir blicken etwas verwirrt. Bis uns Xavier aufklärt. Er war am Tag zuvor auf seiner Straußenfarm, in die er sich vor einiger Zeit eingekauft hatte. Wir erinnern uns noch mit Freude an das große Ei, das uns Xavier geschenkt hatte, und bei dem wir tatsächlich Mühe hatten, die Schale aufzubrechen, als wir es zum Frühstück in die Pfanne hauen wollten.

Doch Xaviers Straußenfarm macht Ärger. Die Tiere brechen immer wieder aus ihren Gehegen aus und verwüsten die Felder der umliegenden Bauern. Die Straußenfarm muss daraufhin für alle Schäden aufkommen. Eine Versicherung? Die gibt es dafür nicht, erklärt uns Xavier, denn die Prämie war zu teuer. Warum, das versteht er jetzt, denn diese Tiere seien einfach unberechenbar und würden alles über den Haufen rennen, das ihnen im Weg steht. So auch Xavier.

Er war von seinem Miteigentümer und Farmmanager gerufen worden, um eine Gruppe entlaufener Strauße wieder einzufangen. Xavier hatte sich zunächst gefreut. Ein bisschen Zeit an der frischen Luft, ein Spaziergang rund um die Farm, und dabei einige der großen Vögel wieder in Richtung ihres Geheges treiben. Das konnte mit Sicherheit nicht so schwer sein.

Tatsächlich, so erzählt uns Xavier, sollte er mit einem Quad, das nicht nur laut war sondern eine wahre Dreckschleuder beim rumpeligen Fahren über die Felder, die Tiere zusammentreiben. Das war leichter gesagt als getan, denn diese Viecher sind schnell und schlagen wilde Haken. Zudem waren die entlaufenen Strauße rein gar nicht daran interessiert, wieder in ihr Gehege zu gehen. Viel lieber wollten sie durch die Mais- und Getreidefelder der Nachbarn laufen. Der Schaden, den sie dabei anrichteten, war aber vergleichsweise gering im Vergleich dessen, was Xavier mit seinem Quad im Getreidefeld veranstaltete. Zumindest so lange, bis ihn sein verzweifelter Miteigentümer aus dem Feld heraus jagte und Xavier zu Fuß weitermachen ließ.

Das war allerdings auch keine allzu kluge Idee gewesen. Xavier dachte, er könnte die Strauße ähnlich wie seine Pferde zusammen treiben. Mit weit ausgebreiteten Armen und lautem Rufen lief er den Tieren also entgegen. Doch anstatt die Flucht anzutreten, kam ihm ein Strauß mit weit ausgebreiteten Flügeln ebenfalls sehr schnell entgegen. Es muss ein interessantes Bild abgegeben haben. Xavier und der Strauß, die einander mit weit ausgebreiteten Armen und Flügeln entgegen rennen.

Die Ärzte, die Xavier daraufhin im Krankenhaus betreuten, schüttelten nur den Kopf und meinten, Xavier hätte unglaubliches Glück gehabt. Von einem ausgewachsenen Strauß umgerannt zu werden, das sei keine Lappalie. Doch glücklicherweise hatte sich Xavier bei seinem Sturz nur den Arm geprellt und den Knöchel leicht verstaucht. Viel mehr schmerzte es Xavier allerdings, dass die Sanitäter ihm das schöne Hemd zerschnitten hatten, um ihn zu untersuchen. Warum er bei der Arbeit auf dem Feld ein teures Hemd trug, die Frage verkneifen wir uns heute ausnahmsweise. Wahrscheinlich würden wir damit sowieso nur auf Unverständnis stoßen.

Auf den Strauß dürfte Xavier dennoch Eindruck gemacht haben. Denn nach der Konfrontation ließ er sich ohne Gegenwehr in sein Gehege treiben. Gerade noch rechtzeitig übrigens, denn nur kurz darauf war der Getreidebauer mit seiner Schrotflinte zur Stelle gewesen. Beim Anblick dessen, was Xavier mit seinem Weizenfeld angestellt hatte, hätte der Bauer die Flinte liebend gerne auf Xavier gerichtet. Doch der war, so entschied der Bauer, schon schlimm genug dran. Also gab sich der Bauer mit einem Bündel Geldnoten zufrieden, die ihm Xavier für den entstandenen Schaden überreichte.

Der Betrieb einer Straußenfarm ist teuer, resümiert Xavier. Allerdings müsse er, so versicherte ihm der Farmmanager, beim nächsten entlaufenen Strauß nicht wieder helfen. Zumindest nicht aktiv. Die finanzielle Seite reicht völlig aus.