Xaviers Blog: Ein Banker den das Leben schrieb. Von Martina Bahl. Xavier ist schrecklich aufgeregt. Der Schweiß steht ihm auf der Stirn und er weiß gar nicht, was er machen soll. Seit Tagen kann er nicht mehr schlafen und wälzt sich jede Nacht sorgenvoll im Bett. Denn Xavier muss zu einer Prüfung antreten.

Es geht um eine Prüfung für Finanzgeschäfte in einem anderen Land. Denn Xavier soll ab nun auch die Geschäfte mit einer der ausländischen Niederlassungen seiner Bank abwickeln. Dafür verlangt die ausländische Aufsichtsbehörde für Finanzgeschäfte aber das Ablegen einer Eignungsprüfung, in welcher Xavier nachweist, dass er sich mit den Gesetzen, Usancen und Bestimmungen in dem Land auskennt.

Seit Tagen lernt Xavier in jeder freien Minute für die Prüfung. Sogar auf der Toilette. Trotzdem ist er schrecklich nervös. Er muss die Prüfung in jedem Fall bestehen. Durchfallen ist keine Option, denn dann würde er womöglich seinen Job verlieren, und die neuen Aufgaben sowieso. Dabei ist das Geschäft mit dieser ausländischen Niederlassung besonders lukrativ, und Xavier möchte es unbedingt haben. Denn der bisherige Heimatmarkt, den Xavier betreut, ist über die Jahre immer schwächer und härter umkämpft worden. Die Margen waren nicht mehr das, was sie einmal waren. Das wirkte sich zwangsweise auch auf Xaviers Budget und damit seinen Bonus aus. Wovon sollte Xavier dann in Zukunft das Futter für seine Rennpferde finanzieren, die er noch immer nicht verkaufen konnte, ganz zu schweigen von den Tierarztkosten? Oder die teuren Privatschulen für die Kinder, die weißen Hemden und teuren Schuhe für sich selbst, den Oldtimer, den Koi, der unbedingt ersetzt werden musste und für den Xavier einen zweiten Koi haben wollte. Denn wer weiß, möglicherweise war der alte Koi an Einsamkeit gestorben? Dann waren da noch die neue Schiausrüstung für St. Anton, der nächste Hubschrauberflug über New York, die Erweiterung der mit dem Familienwappen bedruckten Geschirrsammlung, und so weiter und so fort. Xavier brauchte dieses neue Geschäftsfeld unbedingt!

Doch Xavier hatte schon lange keine Prüfung mehr abgelegt. Er war noch nie besonders gerne zu Prüfungen gegangen und schon immer sehr aufgeregt gewesen. Doch noch nie, so schien es ihm, war es um derart viel gegangen. Er schwitzt und jammert was das Zeug hält.

Als wir Xavier nach der Prüfung wieder sehen und ihn fragen, wie es denn gelaufen sei, ist er wieder der alte. Mit einem arroganten Lächeln meint er, dass er das selbstverständlich alles mit Links erledigt hat. Ein Klacks war die Prüfung, nicht der Rede wert, für ihn ein Leichtes. Wir sagen ihm, dass wir das natürlich nicht anders von ihm erwartet hatten, aber dass wir ihm dennoch zur bestandenen Prüfung gratulieren wollen. Xavier lächelt uns mitleidig an und geht dann zum nächsten, wichtigen Thema über.