Xaviers Blog: Ein Banker den das Leben schriebHeute geht Xavier in die Oper. Nein, nicht privat mit seiner Frau. Das könne diese alleine mit einer Freundin oder ihrer Mutter machen. Heute müsse Xaviers Frau aus geschäftlichen Gründen als seine Begleiterin mitkommen. Mit einem romantischen Abend zu zweit habe das allerdings nicht zu tun, sondern diene ausschließlich dem Geschäft.

Xavier begleitet heute einige seiner wichtigsten Kunden und deren Frauen in die Oper. Denn Oper, das klingt nach Klasse, nach Stil und nach etwas Besonderem. In der Loge, die Xavier eigens zu diesem Zweck gemietet hat, können sie sich in den Pausen über wichtige Geschäfte unterhalten. Für die Tage danach erwartet Xavier dann den Abschluss einiger Trades, sozusagen als Dankeschön für den schönen Abend in der Oper.

Dabei kann Xavier die Oper nicht besonders leiden. Das dämmrige Licht, das Stillsitzen auf einem viel zu weichen Stuhl, der sich nicht dreht, viel zu dicht an den Sitznachbarn und dann noch der laute Gesang in unverständlichen Sprachen, all das nervte Xavier etwas. Dann dauerte eine Oper meist auch noch viel zu lang. Das Mobiltelefon durfte man nicht verwenden, wodurch sich Xavier völlig vom Leben abgeschnitten fühlte. Ohne einen Blick auf aktuelle Nachrichten und blinkende Börsenkurse – denn irgendwo auf der Welt wurde immer irgend etwas gehandelt – wurde Xavier ganz nervös. Zumindest so lange, bis ihn das Stillsitzen im Dämmerlicht plötzlich unheimlich müde machten und er Herkuleskräfte drauf verwenden musste, um die Augen irgendwie offen zu halten.

All das ließ sich Xavier selbstverständlich nicht anmerken. Seinen Kunden gegenüber gab er den gebildeten Kunst- und Kulturinteressierten. Er hatte zuvor mehrere Kritiken über das Stück und vor allem die Sänger gelesen. Daraus zitierte er gekonnt, als wäre er in der Welt der Oper zu Hause. Das beeindruckte seine Kunden und vor allem deren Frauen jedes Mal. Nur Xaviers Frau verdrehte manches Mal heimlich ihre Augen