Xavier lebt in seiner Vorstellung in zwei Welten. Einmal ist das die Welt der Banker und V.I.P.s, in der Machogehabe, Machtspielchen und der äußere Schein alles sind. Und dann ist da die anonyme Welt der gewöhnlichen Menschen, etwa auf der Straße. Da diese Menschen in Xaviers Leben keine wirkliche Rolle spielen, ist es ihm auch ziemlich gleichgültig, was diese über ihn denken. Entsprechend wenig achtet Xavier deshalb auf sein Äußeres, wenn er sich im Urlaub oder am Wochenende auf der Straße oder einem Café, das typischerweise nicht von Bankern und anderen wichtigen Leuten frequentiert wird, aufhält.
Die geplante Schönheits-Kreuzfahrt stellt Xavier vor eine gewisse Herausforderung, wie er selbst zugibt. Wahrscheinlich werden dort wenig bis keine Banker mit ihm auf dem Schiff sein. Auf der anderen Seite dürfte die Anonymität im Laufe der Schiffsfahrt langsam abnehmen, und dann müsse er, Xavier, dem Stand der Banker doch gerecht werden. Der äußere Schein muss also auch auf der Kreuzfahrt gewahrt werden. Auch was die Bademode betrifft.
Wir begleiten Xavier heute in einen großen Sportladen, der glücklicherweise eine große Auswahl an Badebekleidung anbietet. Wir warten einige Zeit zwischen den Regalen, aber Verkäufer verirrt sich trotzdem keiner zu uns. Es lohnt wohl eher, Kunden bei teuren Artikeln zu beraten, wie Fahrräder oder Fitnessgeräte. Wir bleiben uns selbst überlassen.
Xavier kramt munter durch die vielen Badehosen und wählt sich mehrere aus. Wir empfehlen, er solle sie doch anprobieren. Sicher sei sicher. Xavier willigt etwas widerwillig ein. „Wozu denn? Was kann bei einer Badehose schon schief gehen?“
Die Antwort auf Xaviers Frage erhalten wir recht schnell. Die Größe passt überhaupt nicht. Xavier hat die Badehose gleich mehrere Nummern zu klein gewählt. Seit seinem achzehnten Lebensjahr hat sich Xaviers Körper offensichtlich etwas verändert. Auch wenn wir es ihm nicht so offen sagen.
Irgendwann nach der sechzehnten oder siebzehnten Badehose, die Xavier probiert, nehmen wir leicht entnervt und müde auf einem der Sofas im Umkleidebereich Platz. Xavier meckert über jede der Badehosen, die er anprobiert. „Darin sieht mein Bauch zu dick aus!“, „Die Farbe lässt meine Haut zu blass wirken!“, „Damit fühle ich mich zu eingeengt!“, „Darin schabbelt alles herum!“, „Darin kommt mein Po nicht richtig zur Geltung!“, und so weiter und so fort. Nie hätten wir gedacht, dass der Kauf einer Badehose mit einem Banker dermaßen anstrengend werden könnte.
Die Frage ob Slip oder Badeshort beschäftigt Xavier ebenfalls sehr lange. Da wir bereits am Ende unserer Geduld und Nerven sind, überreden wir ihn schlussendlich, sowohl einen Slip als auch eine Short zu kaufen. Die Sache mit dem Bauch, der nunmal nicht wirklich durchtrainiert aussieht, bereitet danach ebenfalls Sorgen. Doch glücklicherweise finden wir im nächsten Regal einige Hawaii-Hemden, die Xavier zur Badehose am Pool tragen kann. Dann fällt auch die mangelnde Bräune nicht mehr so auf, argumentieren wir, und Xavier ist glücklich.
Wir atmen erleichtert auf und machen uns auf den Heimweg. Xavier will noch schnell ins Fitness-Center, um an seinem Bauch zu arbeiten. Ob er das mithilfe von Fitnessgeräten oder im Restaurant, das zum Club gehört, tun wird, entzieht sich unserer Kontrolle. Wir befürchten allerdings letzteres.