Xavier war leicht nervös, wie er uns erzählt. Er hatte sich den Nachmittag über wegen angeblich wichtiger privater Termine frei genommen. Nun stand er am Empfang des größten Konkurrenten seines aktuellen Arbeitgebers und wartete darauf, dass ihn jemand abholte.

Der Headhunter, mit dem sich Xavier einige Tage zuvor getroffen hatte, war zu diesem Termin nicht mehr eingeladen. Das hätte wahrscheinlich auch nichts gebracht. Aber das Kennenlerngespräch mit der Abteilung, die aktuell Verstärkung suchte, das hatte der Headhunter bereits eingefädelt. Die Gehaltsverhandlungen würden im Anschluss ebenfalls wieder über den Headhunter geführt werden, sollte man sich grundsätlich darauf verständigen, dass Xavier als neuer Mitarbeiter in Frage kam und sich auch Xavier einen Wechsel zur anderen Bank vorstellen konnte.

Xavier als harter und abgebrühter Banker, der er zumindest vorgab zu sein, wollte sich seine Nervosität auf keinen Fall anmerken lassen. Er setzte sich demonstrativ auf die schwarze Ledercouch, die neben dem Empfang stand, obwohl Xavier lieber nervös auf und ab gelaufen wäre. Er gab sich völlig vertieft in sein Smartphone, auf dem er vorgab, Nachrichten und Finanzdaten zu lesen, obwohl ihm vor Aufregung ohnedies alles vor den Augen verschwamm und er sich nicht konzentrieren konnte. Doch genau so fand ihn die Assistentin, die ihn abholen sollte, vor. Der typische Banker, dunkler Anzug, leicht arroganter Gesichtsausdruck, ständig mit seinem Smartphone beschäftigt und mit wenig Beachtung für die gewöhnliche Welt um ihn herum.

Die Assistentin führte Xavier in einen eher sterilen Besprechungsraum. Für Xavier nichts Besonderes, doch alle, die nicht im Investmentbanking arbeiteten, wären über die Kargheit bestimmt etwas erstaunt gewesen. Die Möbel, die zweifelsohne einem hochpreisigen Segment entstammten, waren schlicht, und die Wände glänzten mit nacktem Weiß. In diesem ziemlich sterilen Raum warteten bereits drei Banker unterschiedlichen Alters auf Xavier.  Sie stellten sich vor, tauschten mit Xavier ihre Visitenkarten, und setzten sich dann alle vier um den viel zu großen Konferenztisch, der klobig im Raum stand.

Das Gespräch selbst lief für Xavier wunderbar ab. Bereits nach wenigen Minuten hatte er seine alte Höchstform erreicht und prahlte, was das Zeug hielt. Seine Erzählungen über wichtige Geschäfte, die er so gut wie jeden Tag abschließen konnte, überschlugen sich förmlich, und am Ende mussten die anderen drei Banker einfach beeindruckt davon sein, wie großartig und wunderbar Xavier doch war. Die Fragen der drei Banker beantwortete Xavier mit immer noch fantastischeren Geschichten, streute bunte Anekdoten über sein Leben als ausgesprochen erfolgreicher Banker mit ein, und überhaupt schien er keine Grenzen zu kennen.

Jeder, der Xavier nur annähnerd kennt, wäre bei dem Vorstellungsgespräch mit den anderen Bänkern rot angelaufen vor Scham. Denn Xavier erzählte das Blaue vom Himmel. Wenn die Hälfte der Geschichten wahr war, so war das viel. Doch Xavier ging in seiner Rolle auf, und er war während des Gesprächs sogar selbst überzeugt, dass er all die großartigen Geschäfte und Dinge selbst vollbracht hatte.

Das Gespräch dauerte entsprechend lange. Erst nach über einer Stunde verließ Xavier das Gebäude der Konkurrenz wieder. Er fühlte sich großartig und war überzeugt, eine wunderbare und perfekte Show abgeliefert zu haben. Der wunderbare, großartige Xavier.

Bei allem Kopfschütteln müssen wir trotzdem zugeben, dass Xavier im Schaumschlagen einer der absolut Größten ist, und das so überzeugend macht, dass selbst wir, die wir Xavier nun schon einige Zeit kennen, für einen Moment beeindruckt waren ob seiner überdurchschnittlichen Leistungen und außerordentlichen Fähigkeiten.