Xavier: Ein Banker den das Leben schriebEin Kollege hat sich unlängst einen Oldtimer gekauft. Seither gibt es rund um diesen Kollegen kaum ein anderes Thema mehr. An welcher Oldtimer Rallye er denn nun teilnehmen werde, welche Extras es noch gäbe, und, und, und. Das hat Xavier zuerst genervt und ihn dann tatsächlich etwas neidisch gemacht.

Nun überlegt Xavier ernsthaft, sich ebenfalls einen schicken Oldtimer zu gönnen. Selbstverständlich sollten erst einmal die beiden Rennpferde verkauft werden, aber spätestens danach wollte er zuschlagen. Schließlich handelt es sich dabei auch um eine Investition! Ein guter Oldtimer könnte bestimmt später zu einem guten Preis wieder verkauft werden. Wir sprechen Xavier bei diesem Gedankengang nicht auf die Pferde und auch nicht auf seinen kürzlich verstorbenen Koi an.

Weil er davon absolut überzeugt ist, macht Xavier mit seiner Frau gleich eine Probefahrt mit einem alten, schönen Sportwagen aus den 1950er Jahren. Xavier ist vor der Probefahrt sehr aufgeregt und kann es gar nicht erwarten.

Dass der Wagen kein Radio hat, fällt während der Probefahrt gar nicht weiter auf. Zu laut ist das ohrenbetäubende Geräusch des Motors. Ein Radio wäre da nur überflüssiger und ohnedies zu moderner Ballast. Gurte hat das Auto ebenfalls keine. Die gab es in den 1950er Jahren noch nicht serienmäßig. Anschnallen galt damals als uncool und nicht nötig. Also müssen Xavier und seine Frau vom Vermieter des Oldtimers in mühsamer Arbeit mit hässlichen Schultergurten verschnürt werden, die um die Sitze angebracht werden und ein bisschen an die Gurte von Kindersitzen erinnern. Aber sei es drum, hier geht es schließlich um die Sicherheit.

Was der Vermieter des Autos Xavier und seiner Frau doch hätte sagen sollen, ist die Tatsache, dass es in dem Oldtimer neben den Gurten auch keine Heizung gibt. Nach einer Fahrt bei nicht allzu vielen Plusgraden sind die beiden schnell durchgefroren. Aber als harter Mann gibt Xavier das selbstverständlich nicht zu, und das Jammern seiner Frau hört er über dem lauten Motor sowieso nicht. Das Auto hat auch seine Vorteile, sinniert Xavier.

Das Ding mit den komplizierten Gurten wurde dann aber doch noch zur kleinen Herausforderung. Denn zunächst waren Xavier und seine Frau mit einem offenen Verdeck gefahren. Das war schön, windig und machte zumindest auf der Landstraße durchaus Spaß. Dann kam allerdings die Regenwolke. Und mit ihr der Wolkenbruch. Bis sich Xavier aus den Gurten befreit hatte, waren sie schon ziemlich nass. Bis Xavier aber das Verdeck auf dem Auto hatte, das händisch aus dem Kofferraum aufgezogen werden musste, war Xaviers Frisur bereits endgültig runiert. Dem Wärme- oder besser Kälteempfinden tat diese wenig Gutes, und – Xavier hatte es nicht für möglich gehalten – auch der Lärm, den das Auto nun mit geschlossenem Verdeck erzeugte, war in eine Höhe geklettert, die an einen Presslufthammer erinnerte.

Nach der Fahrt sprach Xaviers Frau übrigens mehrere Stunden nicht mehr mit ihm. Möglicherweise musste sie erst auftauen, und ziemlich wahrscheinlich war ihr Hörvermögen nach der Fahrt beeinträchtigt. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nahm sie Xavier den bloßen Gedanken übel, für solch ein Fahrzeug Geld auszugeben.

Xavier lässt sich von all dem nicht beeindrucken. Als richtiger Mann machen ihm Kälte, Lärm und komplizierte Gurte nichts aus. Das Foto, das er vor seiner Probefahrt mit dem hübschen, teuren Auto hat machen lassen, steht jetzt prominent auf seinem Schreibtisch in der Bank. Darauf lächelt Xavier breit und selbstbewusst. Sobald die Rennpferde verkauft sind, verspricht uns Xavier, nimmt er uns ebenfalls mit auf eine Probefahrt!