Xavier ist schlecht gelaunt. Er musste sich neue Schuhe kaufen. Die alten waren nicht mehr repräsentativ, trotz der intensive durch den kleinen Mr. Shoe Shine. Der hatte wirklich alles versucht, aber irgendwann war es einfach so weit. Die Sohle löste sich ab, die Nähte platzten auf, und ziemlich ausgetreten sahen die mittlerweile lieb gewonnenen Treter auch bereits aus. Also musste Xavier den schweren Gang zum Schuhladen seines Vertrauens antreten.
Die Wahl der Schuhe ist laut Xavier nicht das Problem. Seit vielen, vielen Jahren kauft er immer nur ein und dasselbe Modell. Schwarz, klassisch, mit einem typischen Muster, zum Schnüren, glatter Ledersohle, ungewöhnlich teuer, der übliche Bankerschuh eben. Optisch gibt es daran nichts auszusetzen, auch die Qualität stimmt. Schließlich kommt das Modell seit je her aus Italien und erfreut sich einer langen Tradition.
Wo also der Haken liegt wollen wir wissen. Warum erzeugt ein so schönes Schuhmodell bei Xavier so schlechte Laune? Einmal abgesehen vom stolzen Preis, aber der stört Xavier nicht. Darauf achtet er wohl auch kaum.
Nein, es sind die Füße selbst, die Xavier Sorge bereiten. Denn die sind – Xavier gibt es ungerne zu – sehr empfindlich. Jedes Mal, wenn er sich neue Schuhe kauft, leidet er wochenlang qualvolle Schmerzen. Denn jedes Mal bekommt er von seinen neuen, teuren, schönen Businessschuhen Blasen an den Fersen und an den Zehen. Nichts hilft, auch keine Pflaster, Socken oder sonstigen Wundermittel. Er hat alles schon ausprobiert, erklärt uns Xavier mit leidender Miene. Blutig seien seine Füße jedes Mal, und das für Wochen.
Vor seinen Kollegen kann Xavier das natürlich nicht zugeben. Und so heißt es, die Zähne zusammen beissen und möglichst wenige Schritte machen. Da wird Xavier schon mal über mehrere Tage und Wochen zum absoluten Arbeitstier, das seinen Platz wegen wichtiger Geschäfte und Telefonanrufe nicht verlassen kann. Von Seite der Kollegen und Chefs bringt ihm das regelmäßig Bewunderung ein. Denn selbst nach all den Jahren im Geschäft hat Xavier der Banker seinen Biss nicht verloren. Wobei letzteres wohl durchaus wörtlich genommen werden kann während der Neue-Schuhe-Phase, denn bei jedem Schritt muss Xavier die Zähne fest zusammen beissen, damit er nicht vor Schmerzen aufheult.
Wir bemitleiden Xavier noch ein bisschen für seine empfindlichen Füße und wünschen ihm alles Gute. Wir ersparen uns die Frage, ob er denn mal ein anderes Schuhmodell in Erwägung gezogen hätte. Darauf würden wir wohl nur Unverständnis ernten. Wir hätten einfach keine Ahnung davon, was sich für einen richtigen Banker gehöre. Das Leben eines Bankers ist nunmal eines der härtesten!