Zeige mir wie du lebst – und ich sage dir, ob ich mit dir Geschäfte machen möchte.
So oder ähnlich klingt die Einstellung von Fondsmanager Xavier. Und die Erfahrung gibt ihm Recht. Xavier bevorzugt ehrliche Geschäftspartner, die ihn weder bei den Gebühren noch den Anlagen über den Tisch ziehen und ihm und seinem Fonds (und damit den Anteilseignern wie dir und mir) das Geld aus der Tasche. Doch die ehrlichen und redlichen Banker zu finden ist fast so schwierig wie die richtigen Investments zu entdecken. Ein bisschen ist es so, wie die Nadel im Heuhaufen zu suchen. Doch Xavier hat ein System. Er nennt es den „Statussymbol-Check“.
Dazu muss man sich zunächst vor Augen führen, wie Banker ihr Geld verdienen. Selbst nach diversen Regulierungsversuchen durch die Aufsichtsbehörden werden Banker noch immer nach dem alten Schema „kleines Fixum, große Hoffnung auf einen Bonus“ bezahlt. Aber halt mal, werden Sie sagen, das, was die da als Fixum bekommen, das hätte ich ohne Bonus auch mal gerne! Mit dem Fixgehalt der meisten Banker (und hier spricht Xavier nicht vom oberen Management, sondern den Bankern der unteren Reihen, die sich um ihn als Kunden kümmern) können sich diese zwar ein angenehmes, aber kein luxuriöses Leben leisten. Spannend wird es beim Bonus. Dieser ist auf den Geschäftserfolg des einzelnen Bankers ausgerichtet. Und der Geschäftserfolg bemisst sich anhand der Marge aus den an Kunden verkauften oder mit anderen Banken gehandelten Investments. Die Marge wiederum ist eine Kombination aus Risikoaufschlag und einem – nennen wir ihn mal so wie Xavier – Aufschlag für Kundendummheit. Denn ein „dummer Kunde“, der das Produkt nicht versteht und bewerten kann, dem kann man das Investment nochmals teurer verkaufen. Die in diesem System erfolgreichen Banker also sind diejenigen, die ihren nach Möglichkeit dummen Kunden möglichst risikoreiche und komplexe Investments verkaufen und dabei die Skrupellosigkeit besitzen, ihre Kunden beim Preis komplett über den Tisch zu ziehen. Xavier hat einige dieser Beispiele erlebt und bei einigen seiner Kollegen gesehen, bei denen die Marge, die normalerweise bei einem vergleichbaren Produkt etwa 0,50% gewesen wäre, gleich mal auf 10% angestiegen ist. Das macht bei einem Investment über 10 Mio Euro (eine normale Größe für einen Fonds) gleich mal eine Mio Euro statt nur fünfzigtausend als Marge. Die 9,5 Mio Euro sind wohlgemerkt die skrupellose „Dummheitsprämie“, die der Kunde zahlt, weil er etwas kauft, das er nicht versteht und bewerten kann. Warum der Kunde das macht, erklärt uns Xavier in einem anderen Artikel.
Nun aber zurück zu Xaviers „Statussymbol-Test“. Dieser Test mag nicht besonders wissenschaftlich klingen, doch Xavier hat hier bereits viele Beobachtungen gemacht. Und wer weiß, vielleicht findet sich mal ein Doktoratsstudent, der hierzu eine wissenschaftliche Studie macht. Kurz erklärt funktioniert der Test so: Xavier untersucht die Anzahl der Statussymbole, die der zu überprüfende Banker stolz zur Schau stellt. Dabei reicht ein kurzer Smalltalk, und die meisten Banker legen los. Ah, ein sehr teures Haus in einer teuren Gegend? Was, und eine schwarze Amex? Ja, und die drei Autos, alle davon teure Luxusschlitten? Die Partnerin / der Partner wie aus einem Model-Katalog? Ja, und die Uhr? Ah, eine Luxusmarke, vom letzten Bonus gegönnt. Aber dieses Mal soll es der neue Audi sein, der, auf den man lange warten muss, und den man vorher auf Einladung des Autoherstellers auf der Rennstrecke testen darf, um das Warten zu versüßen? Und so weiter und so fort. Meistens, so sagt Xavier, läuft es so ab. Mittlerweile kann Xavier es aber auch schon an der Stimme und der Art, wie der Banker spricht, erkennen, ob er (und manchmal auch sie, aber das Business ist nunmal männlich, aber dazu erzählt uns Xavier ein anderes Mal) den „Statussymbol-Test“ bestehen wird. Die meisten Banker fallen durch. Zu viele Statussymbole = zu viel Druck durch den Lebensstil, einen hohen Bonus zu erwirtschaften = der will und muss mich über den Tisch ziehen = er wird mir unpassende Investments zu teuer anbieten = er ist nicht gut für mich und meine Anleger.
Dann gibt es die wenigen anderen Banker. Sie sind eher die Ausnahme, und sie zu finden, ist nicht so einfach. Xavier vertraut mittlerweile einem kleinen Netzwerk ähnlich denkender Fondsmanager, die sich die wenigen ehrlichen Nadeln im Heuhaufen weiterempfehlen. Xavier, der selbst kein Psychologe ist, sondern aus rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen auf sein System gekommen ist, erklärt es so: „Banker, denen Statussymbole einfach nicht wichtig sind, haben meiner Erfahrung nach eine andere Persönlichkeit. Sie sind nicht so egoistisch und oberflächlich wie ihre Kollegen. Sie interessieren sich für den Inhalt, für das Sein und nicht den Schein. Sie sind in der Regel auch intelligenter und kennen die Produkte besser. Und sie haben durch ihren bescheideneren Lebensstil auch nicht den Druck, einen riesigen Bonus am Jahresende erwirtschaften zu müssen. Wenn Sie so wollen, sind sie die erfolglosen Loser im System der Investment- und Privatbanken. Dabei machen sie das, womit die Banken heute werben. Sie handeln im Sinne des Kunden, sind ehrlich und verhalten sich ethisch relativ korrekt. Und genau die suche ich. Ich möchte meine Geschäfte mit jemandem machen, der mir nur Investments anbietet, von deren Substanz er selbst überzeugt ist. Und das zu einem korrekten Preis!“
Deshalb, so sagt Xavier, hat er wenig Mitleid mit jenen großen Investoren, die auf das erfolgreiche Statussymbolgehabe so mancher Banker hereinfallen, unpassende Investments zu überzogenen Preisen erwerben, und danach jammern und womöglich noch vor Gericht ziehen. Das iPhone, die schwarze Amex, den teuren Luxusschlitten, das bezahlen am Ende die Geschäftspartner. Eigentlich, so Xavier, sollte das auf der Hand liegen, aber Statussymbole signalisieren Erfolg, und mit erfolgreichen Menschen wollen sich viele umgeben. Nur, dass hier der Erfolg oft der Verlust des anderen ist.