Der Monat ist für Xavier gut gelaufen. Er hat alle Budgetvorgaben locker erfüllt. Immer, so gibt er zu, passiert das nicht. Denn, so klagt uns Xavier sein Leid, die zu erreichenden Gewinne würden vom jeweiligen Manager jedes Jahr wieder ein Stück nach oben gesetzt. Einfach, das Jahresbudget zu erfüllen, ist es deshalb nie. Da müssen sich die Banker schon was einfallen lassen, damit es klappt.

Xavier hat deshalb ein Geheimrezept. Wir wollen mehr darüber wissen. Er soll es uns doch verraten, flehen wir Xavier an. Er lächelt verschmitzt, als wir danach fragen. Zuerst sträubt er sich ein wenig, schließlich aber rückt er ein Stück näher an uns heran, sieht sich um, ob uns auch niemand belauscht, und sagt: „Gut, ich verrate es euch!“

Er, Xavier, sei ein Meister im Lösen von Problemen. Probleme finanzieller Natur, wohlgemerkt, und desto höher der Geldbetrag, um den es geht, desto besser wird Xavier. Bei sehr großen, finanziellen Problemen läuft Xavier regelrecht zu Höchstleistungen auf, erzählt er uns. Wir lauschen gebannt. Denn, so erfahren wir, es gibt ein Problem mit den Problemen.

„Probleme sind so eine Sache“, erklärt uns Xavier. Denn leider ist es so, dass Probleme selten in der nötigen Menge und Größe bei Xaviers Kunden vorhanden sind. Zumindest nicht auf natürliche Weise und in jener Menge und Höhe, die Xavier zum Erreichen seiner Budgetvorgaben auch braucht. Und zu warten, dass jemand anders dem Kunden „die Probleme“ verkaufe, das, so sagt uns Xavier, sei erstens zu unsicher und zweitens zu selten.

„Haben meine Kunden allerdings zu wenig und zu kleine Probleme, dann ist das schlecht für mein Budget und damit eine Katastrophe für meinen Bonus, damit die Rennpferde, das Auto, den Koi, die Straußenfarm, und überhaupt alles!“ erklärt uns Xavier. Das leuchtet uns ein. „Was machst du dann?“ fragen wir nach.

Xavier grinst: „Ich schaffe die Probleme einfach selbst!“

Wir blicken verdutzt. Doch Xavier erklärt uns naiven Dummerchen, dass hier das Geheimnis aller großen Banker liegt.

„Zuerst schließt du ein Geschäft mit deinem Kunden ab, das risikant ist, und damit eine gute Chance hat, über kurz oder lang zum Problem zu werden“, erklärt uns Xavier. An dem potenziellen Problem-Geschäft verdient der Banker praktischerweise auch schon gut. Und dann heißt es einfach nur abwarten. Und beobachten. Genau beobachten. Dann, wenn das Geschäft gerade beginnt, ein Problem zu werden, oder kurz davor, wenn bereits gut abzusehen ist, dass es bald eines werden könnte, genau dann schlägt Xavier zu. Er bietet eine wunderbare Problemlösung an! Das kann er als Einziger am allerbesten, da nur er das ursprüngliche Geschäft am besten kennt. In allen Details. Und diese Details haben es ganz zufälliger Weise in sich. Denn die ein oder andere Klausel macht es für die Konkurrenz durchaus schwer, hier mit Xavier mitzuhalten. Sowieso ist Xavier gut vorbereitet, kann seine Lösungsvorschläge schnell und zuverlässig liefern, und sowieso merkt kein Kunde, was hier wirklich gespielt wird. Die meisten Kunden, so lacht Xavier, seien von seinem außergewöhnlichen Service sehr beeindruckt. Xavier versichert ihnen natürlich ständig, dass ihm stets das Wohl des Kunden am Herzen liegt, und er sich deshalb besonders stark für sie einsetzt.

Unter dem Strich bleibt für Xavier natürlich eine schöne Provision übrig. Denn an der Problemlösung, die entweder einen Rückkauf des zum Problem gewordenen Produkts beinhaltet, oder eine Umstrukturierung, verdient Xavier ziemlich gut. In der Regel sogar deutlich besser als beim Neuabschluss des Problemgeschäfts.

Und damit das Rad immer schön am Rollen bleibt, überschneiden sich die Neuabschlüsse potenzieller, zukünftiger Probleme in der Regel mit den Problemlösungen für ältere Geschäfte. Schließlich ist das Budget laufend zu erfüllen. „Denn wenn ich Pech habe, dann läuft das Geschäft gut und wird gar nicht zum Problem!“ Für diese Fälle hat Xavier allerdings auch eine Lösung. Die Probleme Herbeireden und von schrecklichen Entwicklungen in der Zukunft reden. „Schließlich ist das Leben ausgesprochen riskant! Da kann alles passieren!“

Xavier lacht laut und reibt sich die Hände. Diesen Monat konnte Xavier schon mehrere Probleme lösen. Sein Chef wird mit den Zahlen sehr zufrieden sein. Und Xaviers Kunden sind es auch, schließlich konnte Xavier sie vor diversen, möglichen, zukünftigen Schwierigkeiten bewahren.