Xavier besitzt einen riesigen Kleiderschrank. Dieser ist voll mit weißen Hemden und dunklen Anzügen. Xaviers Frau versucht ständig, ihn mal zu einem Hemd in anderer Farbe zu überreden, aber ohne Erfolg. Weiß müssen die Hemden sein, und natürlich nicht von der Stange, sondern vom Schneider seiner Wahl maßangefertigt. Auch das findet Xaviers Frau wäre nicht notwendig. Denn wer kenne schon den Unterschied zwischen einem Hemd aus dem Laden und einem vom Schneider.
Doch Xavier ist eigen, wenn es um seine Hemden geht. Er ist schließlich Banker, und darauf bildet er sich große Stücke ein. Er ist stolz darauf, jeden Tag in der großen, wichtigen Investmentbank Geschäfte mit riesiger Bedeutung abzuschließen und anzubahnen.
Warum die Hemden alle weiß sein müssen, fragen wir Xavier. Er schaut uns völlig verständnislos an und sagt dann in abfälligem Ton: „Blaue Hemden tragen nur Berater!“ Und mit einem Berater wolle Xavier nun wirklich nicht verwechselt werden. Er sei Banker, und darauf sei er stolz. Die Berater, die könnten doch am Ende nichts. Die würden doch nur so tun als ob, klug daher reden, sich unnötig aufplustern, irgendwelche nutzlosen Empfehlungen abgeben, dafür viel zu viel Geld kassieren, um am Ende doch wieder nur eine weitere Baustelle zu hinterlassen, für die sie das Management wieder holen müsste, um erneut klug zu reden, sich aufzuplustern, Empfehlungen abzugeben und zu viel Geld für ihre Dampfplauderei zu kassieren.
Wir schauen Xavier in seinem weißen, maßgeschneiderten Hemd lange nachdenklich an. Das mit dem Aufplustern, klug reden und zu viel Geld für Dampfplauderei kassieren, das kommt uns von irgendwoher bekannt vor. Aber das sagen wir Xavier lieber nicht. Er würde uns ohnedies nicht verstehen. Sowieso hat Xavier gerade keine Zeit mehr für uns. Er muss dringend zum Schneider, um sein neues, weißes Hemd abzuholen.