Xaviers Blog: Ein Banker den das Leben schrieb. Eine Kolumne von Martina Bahl.Verschmitzt blickt uns Xavier entgegen. Er wirkt zufrieden und sichtlich amüsiert. Offensichtlich hat Xavier einen guten Tag hinter sich. Bestimmt gute Geschäfte, denken wir, und fragen nach.

„Ah, viel besser!“ belehrt uns Xavier. „Ich habe einem dieser kleinen, besserwissenden, ewig fleissigen, nervigen, jungen Juniors gezeigt, wer hier der Boss ist und das Sagen hat!“ Bei diesen Worten grinst Xavier wieder und lehnt sich zufrieden zurück.

Nach und nach erzählt uns Xavier die ganze Geschichte. Es war um die Bewertung von irgend welchen Finanzprodukten gegangen, und darum, dass einer der Juniors davon sichtlich keine Ahnung gehabt hatte. Da war Xavier der Kragen geplatzt. Er hatte alle fünf Juniors, die in seinem Team waren, zusammen getrommelt und ihnen eine zugegeben wirklich schwere Rechenaufgabe gestellt. Nur mit einem Taschenrechner, einem Stift und einem Blatt Papier bewaffnet sollten sie sich erst wieder blicken lassen, wenn sie die Aufgabe gelöst hatten. Nicht eine Sekunde früher!

Xavier hatte dabei vor Schadenfreude innerlich gelacht. Denn die Aufgabe war so kompliziert, dass selbst er Probleme gehabt hätte, sie aus dem Stegreif zu lösen. Wie auch immer, die dummen Jungen, wie er sie so schön nannte, sollten ruhig sehen, dass sie nicht allwissend waren. Sie sollten ruhig merken, dass sie in der Hackordnung ganz, ganz, ganz weit unten standen.

Einer der Juniors hatte sich dabei allerdings getraut zu erwähnen, dass er fest eingeplant hatte, das große Feuerwerk um 20 Uhr anzusehen, das an diesem Abend über der Stadt stattfand und zu dem man aus der obersten Büroetage angeblich einen wundervollen Ausblick hatte. Xavier, so erzählt er uns lauthals lachend, hatte so getan, als hätte er diese Bemerkung nicht gehört. Insgeheim hatte er aber bereits zu diesem Zeitpunkt einen bösen Plan geschmiedet. Der junge Nichtsnutz sollte ruhig sehen, was es heißt, ganz, ganz, ganz weit unten zu stehen! Schließlich hatte Xavier auch einmal so angefangen. Jetzt waren andere an der Reihe, und er, der große Xavier, saß am Ruder!

Kurz vor 20 Uhr hatten die Juniors die Rechenaufgabe noch immer nicht gelöst. Xavier ging durch die Reihen und beäugte den Fortschritt. Bei vier der fünft Juniors nickte er zustimmend und gab wohlwollende wenn auch unverständliche Laute von sich. Dann entlies er die vier Juniors und meinte, das würde schon reichen, und morgen gäbe es die Lösung. Der fünfte Junior aber, und zwar genau der mit dem Feuerwerk, musste noch bleiben. Xavier bestellte ihn in einen kleinen Konferenzraum, und zwar genau jenen, aus dem man beim besten Willen nicht aus einem Fenster blicken kann. Dort bat Xavier den Junior, ihm nochmal genau vorzurechnen, wie weit er bisher mit der Aufgabe gekommen war.

Dann begann das Feuerwerk. Man hörte es krachen, und weiter hinten auf dem Floor hörte man die anderen Juniors, die am Fenster standen, ihre „ohhhs“ und „ahhhs“ rufen. Der fünfte Junior zuckte bei jedem Krachen leicht zusammen. Er war den Tränen sichtlich nahe. Xavier freute sich und war zufrieden. Endlich hatte er einem dieser Nichtsnutze, die ständig alles besser wissen wollen und überhaupt einfach nur nervig waren, gezeigt, wer das Sagen hatte! Das Feuerwerk würde dieser Junior wohl nicht so schnell vergessen!

Die Lösung der Rechenaufgabe blieb Xavier den Juniors übrigens schuldig. Beim eigenen Versuch, das Ding mit einem Taschenrechner nachzurechnen, so lacht Xavier, war selbst er gescheitert. Aber das mache nichts, so Xavier, darum sei es ihm ohnedies nie gegangen.