Sind Banker egoistisch und oberflächlich? Möglicherweise. Xavier kann hier viele Beispiele aus seinem Leben nennen. Nicht alle sind so, sagt er, aber doch viele.
Gut in Erinnerung ist ihm ein ehemaliger Kollege. Ein ganz und gar nicht hübscher, nicht besonders sympatischer Zeitgenosse war das, erzählt Xavier. Dick, eklig und großkotzig, aber er wusste sich zu verkaufen. Er hatte eine junge Frau wie aus einem Modelkatalog, die er trotzdem nach Lust und Laune betrog, ein großes, sündhaftteures Haus in bester Lage, und er trug nur teure Kleider und Uhren. Das ganze Leben dieses Kollegen war sehr oberflächlich ausgerichtet. Xavier vermutete, dass der Kollege wenig über andere, umso mehr über sich und sein Weiterkommen nachdachte. Hauptsache, er selbst war versorgt, machte die besten Gechäfte, und das auch auf Kosten seiner eigenen Kollegen. Wenn diese in Urlaub waren oder auch nur mal kurz zur Toilette, klaute er seinen Kollegen die lukrativsten Deals und Investments. Damit konnte er am Jahresende bei den Vorgesetzten punkten, die dem schillernden Vogel den größten Teil vom Bonuskuchen abgaben. Wenn der Chef am Jahresende seine Bonusrede hielt, wurde der Egoist als Vorbild genannt. Xavier wurde dabei regelmäßig übel, wenn er auf dessen überhebliches Grinsen blickte.
Dann war da der andere Kollege von Xavier. Nennen wir ihn Udo. Udo war klug, leise, wohnte im weit entfernten Vorort und trug einfache Hemden und Anzüge. Eine Uhr hatte Udo nicht, auch keine besonderen Kreditkarten. Ob Udo ein Auto besaß, das wusste niemand. Udo sprach nicht darüber. Seine Frau war kein Model, dafür die Liebe seines Lebens. Udo war ruhig, aufrichtig, und zeigte sich häufig verständnisvoll für andere, selbst dann, wenn Xavier sich wieder einmal über den Egoisten aufregte. Dafür verstand Udo sehr viel vom Geschäft, den Produkten und den Kunden. Aber auf seine leise Art und Weise. Dafür bekam Udo am Jahresende auch immer den kleinsten Happen vom Bonustopf ab, was er aber, bescheiden wie er war, mit einem Schulterzucken hinnahm. Als dann eine Umstrukturierung anstand, wurde Udo entlassen. Der Egoist blieb.
Xavier vermutet, dass Egoismus, Oberflächlichkeit und Skrupellosigkeit nicht nur belohnt werden, sondern zum langfristigen Überleben im Investmentbanking notwendig sind. Xavier selbst? Er wurde nicht entlassen. Ob das nun Rückschlüsse zulässt? Möglicherweise.