Nein, um hier alle Missverständnisse vorab aus dem Weg zu räumen, adlig ist Xavier nicht. Auch sonst niemand aus seiner Familie. Seine Frau hat einen sehr bodenständigen Beruf. Auch Xavier selbst stammt aus normalen Verhältnissen.

Dennoch ist Xavier von der fixen Idee besessen, er und seine Familie bräuchten dringend ein Familienwappen. Schließlich sei er durch seine überaus wichtige Arbeit in einer angesehenen Bank in der sozialen Hierarchie deutlich aufgestiegen. Also muss für die nunmehr wichtige Familie von Xavier ein Familienwappen her. Eigens für ihn designed und als Unikat auch geschützt und in die Wappenrolle eingetragen. Er werde damit eine Dynastie gründen. Seine Kinder, Enkel, Urenkel und alle anderen Nachkommen sollten sich an ihn erinnern und ihn ehren.

Wer Xavier bei seinen größenwahnsinnigen Ausführungen zuhört lächelt ihn freundlich an und schüttelt innerlich den Kopf. Aber das merkt Xavier gar nicht. Zu sehr ist er in seiner eigenen Gedankenwelt, in der er selbst Jahrhunderte nach seinem Tod noch wie ein Heiliger verehrt wird. Und alles dank seiner weitsichtigen Entscheidung, sich für viele Tausend Euro ein Familienwappen designen zu lassen. Dazu will Xavier auch noch Ahnenforschung in Auftrag geben und einen Stammbaum mit Ahnentafel erstellen lassen. Kosten ebenfalls viele Tausend Euro.

Wenn das Wappen erst fertig ist, freut sich Xavier schon auf seinen Siegelring. Der wird natürlich aus Gold sein. Dazu noch ein schönes Collier mit Wappen für seine Frau und diverse andere Schmuckstücke, über die er noch nachdenkt. Das werden alles einmal wertvolle Erbstücke für seine Nachkommen sein, davon ist Xavier überzeugt. Dazu noch Gläser mit dem eingravierten Wappen, neues Silberbesteck, Porzellan mit Wappen, natürlich auch Manschettenknöpfe und ein Visitenkartenetui. Ob sich ein Türgriff aus Gusseisen mit dem Wappen an seiner Haustür gut machen wird, davon ist Xaviers Frau noch nicht überzeugt. Sie findet, so etwas passe eher zu alten Gruselschlössern als zu modernen Gebäuden. Dafür hat sie aber bestickten Handtüchern und Bettwäsche zugestimmt. Briefpapier, ein Füllhalter und ein Siegel sind ohnedies selbstverständlich. Was das alles kosten wird? Xavier rechnet im ersten Durchgang mit 50.000 Euro. Nachbestellungen und besonderer Schmuck sind da noch nicht enthalten, auch nicht die Armbanduhr, mit der Xavier liebäugelt.

Eine nähere Recherche zum Thema Familienwappen lässt übrigens vermuten, dass Xavier bei weitem nicht der einzig Größenwahnsinnige ist. Denn das Angebot an Unternehmen, die Familienwappen anbieten, ist gar nicht so klein. Wobei die Erstellung des Wappens noch die geringeren Kosten verursacht. Die ganzen Luxusartikel, die rundherum angeboten werden, gehen hingegen richtig ins Geld. Aber was nützt schon ein tolles Wappen, wenn es niemand sieht? Also her mit bestickten Hemden, gravierten Manschettenknöpfen, teuren Broschen und schmucken Ringen!

Wir schütteln erneut ungläubig den Kopf, stellen uns für einen Moment vor, was man mit den vielen Tausend Euro sonst noch so machen könnte, und wenden uns dann wieder den ernsthaften Dingen im Leben zu. Xavier hingegen spricht immer noch von den genialen Vorzügen seines eigenen Wappens und wie er damit unsterblich werden will.