Xaviers Blog: Ein Banker, den das Leben schrieb. Eine Kolumne von Martina Bahl.Der Swapsball hat für Xavier Tradition. Jedes Jahr im Oktober findet diese opulente Wohltätigkeitsgala statt, auf der sich die Banker selbst inszenieren und gegenseitig mit dem, was zählt, beeindrucken: Geld, teure Uhren und männliches Imponiergehabe. Ein Fixpunkt in Xaviers jährlichem Terminkalender. Da wird die teuerste Uhr umgelegt und an der Bar demonstrativ oft darauf geblickt. Der Smoking wird eigens frisch gereinigt und gestärkt. Die Schuhe für diesen Abend sind von Mr. Shoeshine auf Hochglanz poliert, die Haare geföhnt und mit ausreichend Gel gestylt, das Portemonnaie mit ausreichend Bargeld sowie der plantinenen Kreditkarten gefüllt und für den Fotografen das arroganteste Lächeln aufgesetzt. Denn hier trifft sich Jahr für Jahr alles, was in diesem Geschäft Rang und Namen hat. Die Konkurrenz kann man förmlich riechen.

Die Tickets für dieses Event kosten reichlich. Xavier erzählt uns stolz, dass seine Bank gleich drei Tische gekauft hatte. Wir verdrehen die Augen. Aber ist doch alles für einen guten Zweck, versichert uns Xavier.

Neben dem Galadinner aus Käsesoufflé, Perlhuhn und Pistazienbrulé, das besser klingt als es schmeckt, und von dem man weder ausreichend satt wird ob der kleinen Portionen noch eine gute Unterlage hat für die Whiskys an der Bar, findet – wie könnte es anders sein – eine Auktion für wohltätige Zwecke statt. Xavier liebt diesen Teil des Abends! Die teuersten und spektakulärsten Auktionsartikel werden in einer offenen Auktion versteigert. Jeder kann sehen, wie gut das Geschäft der anderen gerade läuft und wie viel jeder für Dinge, die niemand wirklich braucht, bietet.

Früher, so schwärmt Xavier nostalgisch, vor der Finanzmarktkrise, da war der Glanz der Auktionen allerdings viel besser. Es wurden abgefahrene Dinge versteigert und die Spenden dafür waren astronomisch. Xavier wurde dabei regelmäßig schwindlig. Die großen Broker hatten dabei immer die Nase vorn. Sie überboten sich gegenseitig, und der Rest im Saal hielt aus Angst, versehentlich ein Bid abzugeben, meist den Atem an.

Das war diesmal etwas anders, erzählt uns Xavier. Selbst Xavier konnte in der offenen Auktion noch mitbieten. Zum Zug kam er nicht, wohl auch, so erklärt uns Xavier, weil er ständig hin und her schwankte, wofür er denn genau bieten sollte. Da waren die VIP Karten fürs Pferderennen, die Xavier interessiert hätten, aber dann hatte er an seine letzten Erfahrungen gedacht und daran, dass er danach um zwei Gäule reicher war. Die Kunstwerke waren hingegen nichts für Xavier. Verwundert erzählt er uns, dass ein Banker ein kleines Vermögen für das Foto eines mit Platin überzogenen und Diamanten besetzten, menschlichen Totenschädels ausgegeben hatte. Aber über Geschmack lasse sich bekanntlich nicht streiten. Viel besser fand Xavier da schon die Rolex. Die Woche Urlaub auf der ehemals von Ratten verseuchten und heute von Promis aus aller Welt geschätzten Insel Mustique hatte Xavier, so erzählt er, kurz in Erwägung gezogen, aber sowohl der Preis als auch die ewig lange Anreise hatten ihn dann abgehalten. Was sollte er auch eine Woche mitten im Nirgendwo machen, wenn es dort weder potenzielle Kunden noch andere Banker gab, und wo man ohnehin den Großteil der Woche brauchte, um sich von der mühsamen Anreise und dem Jetlag zu erholen.

Für das Tauchen mit Haifischen im Käfig fühlte sich Xavier eindeutig auch nicht berufen. Blieb also die Rolex, aber leider hatte ihm die einer der anderen Banker weggeschnappt.

Immerhin gab es danach noch die stille Auktion, in der die weniger spektakulären Dinge versteigert wurden. Ein Tagesausflug nach Monaco, eine Filmprämiere, diverse Reisen, Koch- und Restaurant Events, Sportveranstaltungen und einige Kunstwerke. Zumindest hier konnte Xavier noch etwas Spaß haben und mit geringerem Risiko ein wenig seines Geldes einsetzen.

Über die entgangene Rolex ärgert sich Xavier trotzdem und schnaubt wütend: „Immer diese Banker! Da zocken sie vorher das Rote Kreuz oder sonst wen ab, und dann spenden sie großzügig einmal im Jahr für den guten Zweck!“

Bei diesem Spruch verschlucken wir uns an unserer heißen Schokolade dermaßen, dass uns Xavier besorgt auf den Rücken klopft und sogar einen Schluck Wasser holt. Lächelnd danken wir ihm, nicken, und versichern ihm, dass wir uns bereits auf unser nächstes Treffen freuen.