Xavier wirkt nervös. Immer wieder dreht er sich um, blickt links und rechts, und beobachtet ganz genau, wer sich in unsere Nähe setzt oder stellt. Einmal bittet er uns sogar, den Platz zu wechseln, und im nächsten Moment müssen wir mit Xavier unseren Stuhl tauschen, damit er den Raum besser überblicken kann. Wir sind etwas ratlos und fragen scherzhaft: „Xavier, verfolgt dich jemand?“

Anstatt zu lachen blickt uns Xavier bestürzt an: „Ach, ihr wisst es schon?“

Wir sind erstaunt und fragen nach: „Aber Xavier, wer soll dich denn verfolgen? Du arbeitest nur in einer Bank, und überhaupt ergibt das doch keinen Sinn!“

Xavier blickt um sich, rückt näher an uns heran, und flüstert als Antwort: „Oh, da irrt euch mal nicht! Sie verfolgen mich! Sie sind hinter mir her! Ich weiß noch nicht wieso und warum, aber sie haben mich auf dem Radar, und ich bin überzeugt jemand folgt mir!“

Xavier erzählt uns vom bankeigenen Überwachungsdienst. Jeder Mitarbeiter wird zumindest innerhalb der Bank, aber wahrscheinlich auch außerhalb, ständig überprüft. Jeder Schritt wird videoüberwacht, jeder Konsum in der Caféteria, am Kaffeeautomaten und sogar jeder Knopfdruck auf den Wasserspender wird dokumentiert. Jeder Tastaturanschlag, jedes Telefongespräch, sogar jedes persönliche Gespräch am Platz wird mitgeschnitten, transkribiert und analysiert. Chats, aufgerufene Internetseiten, Druckaufträge, sogar vor oder hinter wem jemand an der Essensausgabe der Kantine steht und mit wem man gleichzeitig länger als einige Sekunden zusammen steht oder geht wird erfasst. All das über das flächendeckende Netz aus Videokameras, Mikrofonen, Telefonen, RFID Scannern und Datenfiltern, ergänzt durch die vielen Daten, die über die bankeigenen Smartphones zusätzlich gesammelt werden wie GPS-Standorte, Fotos, Videos, Tonaufnahmen, Chattranskripte und was sich sonst noch so alles an Daten über diese kleinen, hübschen Spione auslesen lässt.

All das weiß Xavier selbstverständlich, denn schließlich musste er unterschreiben, dass er mit der Totalüberwachung seiner Person und der unbegrenzten Speicherung aller Daten einverstanden ist. Nicht, dass er eine wirkliche Wahl gehabt hätte, denn ohne die Unterschrift hätte er gleich nach Hause gehen und seinen schönen Bankerjob vergessen können. Wie dem auch sei, so Xavier, irgendetwas war wohl im internen Algorithmus der Datenmaschine schief gelaufen, und nun hatten sie Xavier im Visier. Etwas an seinen Gewohnheiten musste sich verändert haben, und nun dachte der mächtige Überwachungscomputer der Bank, er, Xavier, könne eine Gefahr für die Sicherheit sein. Deshalb werde er nun verfolgt, da ist sich Xavier ganz sicher.

Wir beginnen zu rätseln, was den mächtigen Spionagecomputer verstört haben könnte. Vielleicht lag es an Xaviers vielen Taxifahrten, seitdem er seine Autoschlüssel verlegt hatte? Oder jemand, mit dem er sich unlängst unterhalten hatte, gemeinsam gegessen oder zufällig mehrfach gemeinsam an der Essensausgabe gestanden hatte, hatte sich etwas zu Schulden kommen lassen?

„Kannst du dich denn nicht erkundigen, was gegen dich vorliegt?“ wollen wir wissen. Doch Xavier schüttelt nur verzweifelt den Kopf. Es gibt niemanden, der darüber Auskunft geben würde, und sowieso würde er niemals Informationen darüber bekommen, welche Daten und Informationen die Bank und ihr Superspionagecomputer über ihn gesammelt hatten. Die Sache war aussichtslos.

Wir sind ebenfalls ziemlich ratlos. Ein wenig fragen wir uns natürlich, ob sich Xavier die Sache mit seinem Verfolger nicht nur einbildet.

Xavier blickt sich wieder misstrauisch um und beäugt jeden kritisch, der in unsere Nähe kommt.