Xaviers Blog: Ein Banker den das Leben schrieb. Von Martina Bahl. Xavier ist genervt. Er hat seit kurzem einen jungen Kollegen neben sich sitzen. Dieser kommt frisch von der Universität. Einer besonders guten Universität aus Amerika, wie er immer wieder betont. Und dort habe er dies und das gelernt und wisse nun, wie alles korrekt und am besten zu machen sei. In jeder Situation. In jedem Unternehmen.

Zum Ärger von Xavier redet der junge Kollege auch ohne Unterlass. Mit einem schweigsamen Zeitgenossen hätte er sich noch arrangieren können, auch durchaus mit einem deutlich intelligenteren Kollegen. Aber dieser junge Besserwisser trieb Xavier jeden Tag zur Weißglut. Am schwersten konnte Xavier mit der Aussage umgehen, dass die strahlenden Absolventen der besonders guten Universität, von welcher der neue Kollege kam, sowieso alle über kurz oder lang in die oberste Führungsebene aufsteigen würden, denn dafür seien sie nunmal gemacht und ausgebildet.

So verhielt sich Xaviers neuer Sitznachbar dann auch. Er plauderte den ganzen Tag munter vor sich hin, erzählte allen Leuten, die seinen Weg kreuzten, wie toll er denn war und welch gigantisch wichtige Geschäfte er abzuschließen beabsichtigte, und überhaupt stolzierte er wie ein Pfau durch die Gegend und gab Xavier und einigen anderen Bankern, die das Pech hatten, in der Nähe zu sitzen, stets kluge Ratschläge und Tipps, wie sie etwas besser machen konnten.

Eigentlich hätte Xavier dem neuen Kollegen das Geschäft erklären und beibringen sollen. Und grundsätzlich wäre Xavier dazu auch bereit gewesen, denn einen jungen Handlanger zu haben, das konnte schon ganz nützlich sein. Aber mit genau diesem Junior war nun wirklich  nichts anzufangen. Er schien schon alles zu wissen, und zwar besser und mehr davon. Wollte Xavier ihm etwas erklären oder beibringen, wollte es der junge Besserwisser anders machen und sagte zu Xavier nur: „Das hat man dir auf der Schule, auf der du warst, wohl nicht beigebracht? Auf meiner Eliteuni haben wir das genau so gelernt.“

Xavier war wirklich genervt. Er hatte es in seiner Karriere bereits mit vielen schwierigen Persönlichkeiten zu tun gehabt, aber dieser junge Besserwisser ließ Xavier verzweifeln. Er musste ihn dringend los werden. Am besten er verschaffte ihm einen tollen, neuen Job bei den Beratern, die in ihren blauen Hemden wieder einmal durch die Bank schlichen und ebenfalls alles besser zu wissen schienen.