Xavier muss zum Arzt

Mittlerweile kennen wir Xavier schon ganz gut. Er ist ein harter Kerl, dem niemand so schnell etwas vormacht. Er behauptet sich gegen viele andere harte Kerle, und das jeden Tag, zu jeder Stunde. Xavier ist ein Kämpfer, der nie aufgibt.

Doch ein kleines Geheimnis hat Xavier. Er hat Angst vor Ärzten. Seine Arzttermine schiebt er immer so lange es geht auf. Aber manchmal lässt es sich einfach nicht mehr vermeiden, und er muss hin. Das bereitet Xavier bereits lange vor seinem Arztbesuch schlaflose Nächte.

Warum gerade er als harter und echter Investmentbanker so große Angst vor dem Arztbesuch hat, das kann uns Xavier auch nicht erklären. Jeder hat wohl seinen schwachen Punkt im Leben. Ganz schlimm ist für Xavier der Zahnarzt. Und genau dort muss Xavier heute hin. Denn einer seiner Zähne quält ihn bereits seit mehreren Tagen. Zunächst hatte Xavier noch gehofft, der Zahn würde von alleine aufhören, weh zu tun. Danach nahm Xavier Schmerzmittel und hoffte, dass er damit einfach so weiter machen konnte. Aber Xaviers Frau hatte irgendwann ein Machtwort gesprochen und für ihn einen Termin beim Zahnarzt vereinbart.

Zum ersten Termin ist Xavier nicht erschienen. Er behauptete, den Termin schlicht und einfach über der vielen wichtigen und stressigen Arbeit, die er in der Bank hat, vergessen zu haben. Doch auch den zweiten Termin zu schwänzen, das traut sich Xavier nun nicht mehr. Er würde deshalb zu Hause sehr viel Ärger bekommen.

Im Wartezimmer läuft Xavier der kalte Schweiß von der Stirn. Seine Hände sind kalt, er zittert und im Kopf hört er seinen lauten Herzschlag. Gleich wird er einen Schlaganfall bekommen, davon ist Xavier beinahe überzeugt. Das Warten im Wartezimmer des Zahnarztes ist einfach zu viel Stress für ihn und sein zartes Gemüt. Ob er denn nicht stresserprobt sei aufgrund seiner anstrengenden und stressigen Arbeit in der Bank, wo er ständig unter Strom steht? Xavier schüttelt nur schwach den Kopf. Der Stress beim Zahnarzt wäre doch um Welten schlimmer. Das sollte jeder verstehen, selbst wir.

Im Behandlungsraum will Xavier zunächst seinen Mund kaum öffnen, als der Zahnarzt nachsehen will, was ihm fehlt. Aha, ein Angstpatient also. Was machen Sie denn beruflich? Ah, Banker. Der Zahnarzt nickt verständnisvoll und scheint gar nicht überrascht. Er scheint mehrere Banker als Patienten zu haben, die ähnlich wie Xavier zu selten und dann mit Schweiß auf der Stirn zu ihm kommen.

Doch der Zahnarzt weiß Rat. Zunächst holt er seine hübscheste Assistentin zu sich. Dann flüstert er Xavier ins Ohr, ob er nicht auch finde, die Assistentin sei ein heisser Feger. Xavier wolle sich doch vor ihr sicher nicht blamieren, oder? Also schön den Mund weit auf. Danach stellt der Zahnarzt den Fernseher, der genau über dem Behandlungsstuhl angebracht ist, auf die Börsennachrichten um. Damit ist Xavier erstmal abgelenkt. Die Assistentin beugt sich mit ihrem großen Dekolleté über Xavier, um alles vorzubereiten, und nebenher flimmern die aktuellen Finanzmarktkurse an ihm vorbei. Xavier ist verwirrt und merkt erst im letzten Moment, wie der Zahnarzt ihm eine Betäubungsspritze ins Zahnfleisch sticht. Er will protestieren und vor Schmerz schreien, aber dann sieht er die hübsche Assistentin und beschließt, den harten Kerl zu spielen, auch wenn er am liebsten vor Angst und Schmerzen losheulen würde.

Irgendwann ist die Tortur für Xavier überstanden. Der Zahnarzt erklärt ihm zwar noch, was er genau gemacht hat, aber Xavier hört gar nicht richtig zu. Er nickt nur stumm, als der Zahnarzt sagt, er solle ab jetzt regelmäßig zur Kontrolle kommen. Genau das, denkt Xavier, werde ich mit Sicherheit nicht tun. Selten zu kommen ist schrecklich genug. Obwohl, die Assistentin hat ihm schon gefallen. Vielleicht wird er sich die Sache nochmals überlegen.