Xavier ist bestens gelaunt. Er grinst über das ganze Gesicht, ist spendabel, und lädt uns nicht nur zum Kaffee ein, sondern holt auch noch eine Flasche Sekt mit von der Bar zu unserem Tisch. Und das am helllichten Nachmittag! Wir sind verwundert und wollen wissen, was es zu feiern gibt. Haben wir Xaviers Geburtstag vergessen? Ein Jubiläum?

Aber nein, es ist weder ein Geburtstag noch ein Jubiläum. Xavier hat auch keinen Käufer für seine Rennpferde gefunden. Xavier hat einen Dummen gefunden!

Die Durststrecke, so Xavier, war lang. Schließlich wachsen die besonders dummen, einfältigen Kunden nicht gerade auf Bäumen, und er habe das Gefühl, so Xavier mit einem traurigen Kopfschütteln, als würden die Dummen immer weniger. Dabei machen sich immer mehr Banker auf die Suche nach ihnen.

Ein „Dummer“, das ist ein Kunde, dessen Unternehmen entweder besonders viel oder besonders wenig Geld hat. Meistens ist tatsächlich das Letztere der Fall. Denn ein Unternehmen mit besonders wenig Geld und hohen Schulden spart auch schon mal gerne an seinen Angestellten, beziehungsweise gibt es einen Grund, warum das Unternehmen in seiner misslichen Lage ist. Talentiertes Management und eine sorgsame, vorausschauende, nachhaltige Finanzplanung zählen meist nicht dazu. Sicherlich, so Xavier, gibt es auch Fälle, in denen er einen dummen Reichen findet, aber häufiger sind die dummen Überschuldeten.

Um sich als „Dummer“ zu qualifizieren, genügt es aber noch nicht, die Finanzen eines Unternehmens mit besonders viel oder besonders wenig Geld zu leiten. Der „Dumme“ ist zudem auch noch besonders einfältig und deshalb von einem klassischen Banker leicht zu beeindrucken. Ein teurer Anzug, eine dicke Rolex, dazu das PS-starke Sportauto oder zumindest ein Foto davon auf dem neuesten iPhone oder iPad, und das Versprechen, den „Dummen“ bei Gelegenheit mal im tollen Auto oder auf der schicken Yacht des befreundeten Milliardärs mitzunehmen, all das beeindruckt „den Dummen“ gehörig. Sein großer Traum ist es, auch zu den erfolgreichen Financiers zu gehören, zu den Jetsettern, den Schönen und Reichen. Deshalb findet „der Dumme“ auch jeden Vorschlag des Bankers toll, und er glaubt ihm so gut wie alles. Das lässt selbstverständlich die Dollar-Zeichen in den Augen des Bankers leuchten und sein Herz höher schlagen.

Hat man als Banker erstmal das Vertrauen eines Dummen gewonnen, so gilt es, den Dummen so lange wie möglich erstens bei Laune und zweitens seine Existenz geheim zu halten. Und dann wird Profit geschlagen. Die ausgefallensten Finanzprodukte, hoch strukturiert, mit satten Margen für die Bank, es wird aufgefahren, was der Bauchladen hergibt. Selbstverständlich wird alles „zum Wohle des Unternehmens“ gemacht, um dieses aus seiner misslichen Lage zu bringen. Dass dies unter anderem mit einer Reihe spekulativer Wetten geschieht, ist dabei das Problem des Unternehmens, und Xavier zuckt gleichgültig mit den Schultern. Manchmal wird es auch zum Problem der Bank, sollte die Sache gehörig schief gehen und der Kunde pleite. Glücklicherweise, so Xavier, geschieht das selten sofort, und wenn es erst so weit ist, dann ist der Bonus schon kassiert und der nächste „Dumme“ freut sich über die Gesellschaft seines neuen Banker-Freunds.

Xavier freut sich, lacht laut, und schenkt sich noch ein Glas Sekt ein. Das Leben kann so einfach sein!