Xaviers Blog: Ein Banker den das Leben schrieb. Eine Kolumne von Martina Bahl.Wie üblich treffen wir uns im gemütlicher Atmosphäre mit Xavier, um mit ihm ein wenig über sein Leben zu plaudern. Um ein bisschen Smalltalk to machen, zeigen wir ihm einen Zeitungsausschnitt und wollen seine Meinung dazu hören. Xavier nimmt die Zeitung, kneift die Augen zusammen und hält das Blatt danach weit von sich.

Wir lachen. Sieht Xavier etwa schlecht? Benötigt Xavier etwa eine Brille? Wir sprechen ihn darauf an, ernten auf unsere Frage aber nur ein böses: „Das geht euch nichts an! Meine Augen sehen scharf wie die eines Luxes!“

Wir lachen wieder und meinen, dass eine Lesebrille nun wirklich nichts Außergewöhnliches sei. Ab einem gewissen Alter hat im Grunde jeder eine! Doch auf diese Bemerkung wird Xavier nur noch wütender. Ob wir denn denken würden er sei alt? Er brauche keine Brille, nein, er ganz bestimmt nicht, und das ganz bestimmt noch ganz, ganz lange nicht! Wahrscheinlich würde er nie eine Brille benötigen!

Wir lassen es lieber gut sein und wollen Xavier auf andere Gedanken bringen. Also winken wir den Kellner herbei, um etwas zu Essen zu bestellen. Essen, darüber redet Xavier immer gerne und ausführlich, und er ist immer bestens darüber informiert, wo ein neues, teures Restaurant eröffnet hat.

Doch als der Kellner Xavier die Speisekarte überreicht, beginnt Xavier erneut, die Augen zusammen zu kneifen und konzentriert zu schauen. Er schiebt den Kopf zurück, streckt den Arm aus, holt den Arm wieder zurück, streckt ihn wieder aus, verzerrt das Gesicht gar bitterlich, und wirft die Speisekarte schnaubend auf den Tisch. „Die Schrift auf diesen Dingern wird tatsächlich immer kleiner!“ schimpft Xavier. Dann schüttelt er traurig den Kopf und meint zu unserer Überraschung: „Ihr habt recht, ich brauche wohl wirklich eine Lesebrille. Aber wehe ihr erzählt es jemandem!“ Danach sitzt Xavier wie ein Häufchen Elend neben uns und denkt über seine Brille nach.

Als der Kellner endlich wieder kommt, um unsere Bestellung aufzunehmen, bestellen wir erstmals einen Schnaps. Als der Kellner danach mit drei Pinnchen Schnaps wiederkommt, blickt uns Xavier dankbar an, nimmt sich alle Gläser und trinkt sie in kurzer Folge sofort aus. Wir sind im ersten Moment natürlich wieder etwas erstaunt, denken uns dann aber, dass ein Schnaps so mitten am Tag auf nüchternen Magen wahrscheinlich ohnedies nicht gut für uns gewesen wäre.