Wir treffen Xavier, bevor es auf den Berg geht. In seiner neuen Schiausrüstung sieht er absolut schnittig aus. Er hat auch noch diesen lässigen Schischuh-Schritt drauf, den sonst eigentlich nur Schilehrer beherrschen. Da könnte man Xavier tatsächlich abnehmen, dass er ein wirklich guter Schifahrer ist.

Xavier hält sich auch gar nicht lange zurück. Überschwänglich beginnt er, uns von seinen früheren Abenteuern auf den Schipisten dieser Welt zu erzählen. In allen noblen und guten Ressorts hat er sich bereits über die schwarzen Pisten geschwungen. Und wäre er kein Banker geworden, wer weiß, vielleicht würde man ihn heute zu den unvergesslichen Abfahrtslegenden zählen. Nicht jeder, zu erklärt uns Xavier, habe das Talent. Doch er, Xavier, sei das Naturtalent schlechthin und quasi auf den Brettern geboren.

Wir nicken und freuen uns schon auf unsere erste Abfahrt mit Xavier. Die schwarze Piste muss es nun vielleicht nicht gerade am Anfang sein, können wir Xavier überreden, und dieser nickt uns wohlwollend und verständnisvoll zu. Dabei haben wir vor allem Xaviers Wohl im Auge. Schließlich hat dieser zuletzt zu Zeiten einteiliger Schianzüge und noch vor der Carving-Schi-Einführung auf der Piste gestanden. Ein wenig Gewöhnung an seinen alten Profisport billigen wir ihm durchaus zu.

Die Gondelfahrt hinauf auf den Gipfel ist mit Xavier jedenfalls ein Erlebnis. Lautstark, so dass selbst jene Schifahrer, die mit Xavier nun wirklich nichts am Hut haben, notgedrungen zuöhren müssen, brüstet er sich mit alten Geschichten. Über Tiefschneefahrten, Sessellifte von anno dazumals und waghalsige Sprünge über gefährliche Abhänge. Zumindest bei den Actionerlebnissen fragen wir uns, ob er das nun möglicherweise mit den Videos verwechselt, die wir ihm im Sportgeschäft gezeigt haben, um ihn vom Kauf eines Helm zu überzeugen. Sprünge aus dem Hubschrauber? Grenzenloser Tiefschnee? Steile Klippen?

Nun gut, wir lassen ihn reden und bewundern in der Zwischenzeit Xaviers tolle Schiausrüstung. Auf die sind wir stolz, als wäre es unsere eigene. Besonders gut finden wir die Helmkamera. Xaviers Junior in der Bank hat Xavier die Kamera so eingestellt, dass sie mit seinem Smartphone verbunden sofort einen Livestream ins Internet sendet, sobald Xavier damit auf der Piste ist. Wir sind begeistert, haben aber auch ein wenig Bedenken, da nun bestimmt alle Banker aus Xaviers Abteilung den Livestream sehen werden. Xavier hat dafür leider auch sehr viel Werbung gemacht.

Endlich auf dem Gipfel angekommen, zeigt sich gleich die erste Herausforderung. Xavier muss die Bindung zubekommen. Im Grunde, mit der heutigen Technik, keine große Sache. Nach etwa zehn Minuten und uns als Stützhilfe hat Xavier es endlich geschafft: Er steht oben auf dem Berg und ist zur ersten Abfahrt bereit. Wir senden das Signal, und die Helmkamera beginnt zu laufen. Xavier setzt zu seinem ersten Schwung an.

Weit kommt Xavier dabei allerdings nicht. Er schafft es nicht rechtzeitig, die Kurve zu machen, und landet im Tiefschnee des Pistenrandes. Glücklicherweise, so denken wir, gibt es an dieser Piste keinen steilen Abgrund. Wir unterstützen Xavier tatkräftig, sich wieder aufzurichten. Im Livestream, so werden wir später erfahren, sind wir deutlich zu erkennen, wie wir an Xavier ziehen, ihn schieben und schließlich irgendwie hoch bekommen.

Die nächsten Kurven meistert Xavier vorbildlich. Er hat sich offensichtlich wieder an die Technik des Schneepflugs erinnert. Dieser heißt heute in der Schischule übrigens Pizzaschnitte, aber das nur so am Rande. Den ersten Hang haben wir dann auch nach etwa einer halben Stunde bewältigt. Wir sind erschöpft vom vielen Aufhelfen. Die Helmkamera schalten wir nach der zweiten Tiefschneelandung auf Pause. Wir wollen den live zugeschalteten Bankern das ewige Schneebild ersparen. Und ihre Lachmuskeln etwas schonen.

Xavier atmet nach der ersten Abfahrt erschöpft auf und meint kopfschüttelnd: „Ich muss sagen, ich bin ein klein wenig aus der Übung! Früher ging das eindeutig besser! Das liegt bestimmt am Material. Wenn ich zurück zu Hause bin, dann wird der Sportshopverkäufer aber etwas zu hören bekommen von mir!“